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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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den Gegenstand jedoch wieder unter seinem Mantel verbarg, sah Vemund, dass es eine
flaska
, eine Flasche aus Glas, war, die mit einer Hanfschnur umflochten war.
    Auf ein Zeichen von Ernust hin wandte sich der Dicke von den anderen Männern ab und ging in Begleitung des Hauptmanns zu den anderen Zelten zurück.
    Erneut machte das Pferd ein Geräusch, und als Vemund dieses Mal hinschaute, glaubte er, neben dem Tier einen Schatten gesehen zu haben, der dort nicht hingehörte.
    Er stieß Bresti an. «Da ist jemand.»
    Bresti schaute hin, schüttelte aber den Kopf. «Ich kann niemanden sehen.»
    Der Graf und die beiden anderen Heerführer hatten sich nicht von der Stelle bewegt. Sie unterhielten sich mit gedämpften Stimmen.
    «Ich muss das überprüfen», sagte Vemund.
    «Du darfst deinen Posten nicht verlassen. Wir sollten dem Grafen Bescheid geben.»
    «Nein. Erst muss ich sicher sein, dass wirklich niemand beim Pferd ist. Ich schicke eine der anderen Wachen her.»
    Um nicht aufzufallen, ging Vemund langsam am Zelt entlang, bis er hinter der Ecke auf einen Blutmantel stieß. Er forderte ihn auf, ihn am Eingang kurz zu vertreten. Dann ging er weiter, machte einen weiten Bogen um den Baum herum und schlich sich von hinten an.
    Er war noch etwa zwanzig Schritt entfernt, als er ihn sah. Beim Pferd stand jemand mit dem Rücken zu Vemund. Offenbar nutzte er das Tier als Deckung.
    Es war augenscheinlich ein Mann, ein schmächtiger, junger Mann, der mit einem sackartigen Gewand bekleidet war.
    Mutiger Bursche, dachte Vemund bei sich.
    Das Pferd war das einzige Versteck, von dem aus man das Zelt aus relativ geringer Entfernung beobachten konnte.
    Vemund grinste. Der Bastard hatte wohl nicht mit seinem scharfen Blick gerechnet. Der Graf würde bestimmt eine angemessene Belohnung springen lassen, wenn Vemund ihm den neugierigen Burschen zum Fraß vorwarf.
    Mit einer Gegenwehr dieses schwachbrüstigen Kerls war kaum zu rechnen, was Vemund bedauerte. Gern hätte er sein Schwert eingesetzt, das er ausgiebig geschärft hatte. Der Graf hatte erst vor wenigen Tagen angeordnet, dass alle Soldaten dies mit ihren Waffen tun mussten. Man hatte daraufhin gescherzt, die große Schlacht stehe wohl unmittelbar bevor und nicht erst in der Lombardei.
    Da hatte Vemund eine Idee. Er könnte doch einfach behaupten, der Kerl habe fliehen wollen, weshalb er ihm mit dem Schwert eine ordentliche Wunde habe zufügen müssen. Ein Hieb auf das Bein war besser als gar nichts, dachte er und freute sich auf das Blut, das gleich fließen würde.
    Er war noch etwa zehn Schritt entfernt, als es unter seinen Stiefeln knackte. Ein Ast! Ein verdammter Ast!
    Der Bursche hatte das Knacken gehört und drehte sich um.
    Erstaunt stellte Vemund fest, dass der Kerl eine Mönchskutte trug und dass er plötzlich etwas in der rechten Hand hielt, das aussah wie ein Gürtel, dessen Enden er zusammenhielt. Mit der linken Hand legte er blitzschnell etwas in die Schlaufe.
    Vemund stürmte los, das Schwert in der Hand.
    Zu spät erkannte er die Schleuder, und das Letzte, das er in dieser Nacht sah und hörte, waren die grellen Blitze, die in seinem Kopf aufzuckten, und der Widerhall eines Donners, als der Stein seine Stirn traf.

65.
    Hakon öffnete die Augen und blinzelte ins schimmernde Morgenlicht, das durch die Baumwipfel kroch. Die kleine Frau lag neben ihm, mit dem Kopf auf seiner rechten Schulter. Er drehte sich vorsichtig zu ihr. Sie schnarchte leise. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihre Lider waren von Sommersprossen gesprenkelt, ebenso ihre Nase, ihre Stirn und die Wangen, auf denen die Reste verwischter Schminke klebten.
    Es war für Hakon ein ungewohntes Gefühl, einem anderen Menschen so nah zu sein. Die letzte Frau, mit der er eine ganze Nacht unter einem Fell verbracht hatte, war Thora gewesen. Fünf Jahre war das her, damals, zwei Tage, bevor der Graf sie erschlagen hatte. Andere Frauen, mit denen er seither das Lager geteilt hatte, hatte er wieder verlassen, bevor es hell wurde.
    Hakon hätte es auch heute vorgezogen, allein zu schlafen. Er hatte jedoch nur das eine Fell, und obwohl bald der Sommer anbrechen würde, waren die Nächte noch kühl. Besonders wenn man im Freien schlief, vom Erdboden nur durch eine dünne Schicht Laub und Reisig getrennt.
    Die Frau murmelte etwas im Schlaf. Ihre langen Wimpern zuckten, und unter ihren Lidern bewegten sich die Augen. Ihr Atem kitzelte seinen Bart.
    Malina.
    Sie hatte ihm ihren Namen verraten. Sie

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