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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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kleinen, stillen Hof stoßen würde. Dort sei ein Nebeneingang des Palas für die Bediensteten, hatte sie gesagt, und dort wollte sie auf ihn warten.
    Als Hakon um die Ecke bog, sah er die Tür – aber es war nicht Malina, die da wartete, sondern zwei Männer. Der eine stand in der Tür und redete mit einem anderen Mann, der Hakon den Rücken zukehrte. Der Mann in der Tür trug einen hellblauen Mantel, der andere einen roten, einen blutroten. Seine Glatze glänzte im Sonnenlicht.
    Hakon trat schnell einen Schritt zurück. Aber der Blaumantel hatte ihn bereits bemerkt und gab dem anderen ein Zeichen, und als der sich zu Hakon umdrehte, erkannte er den Hauptmann des Grafen wieder.
    Hakon verharrte in seiner Bewegung. Der Blaumantel verschwand in der Tür und zog sie von innen zu. Der Glatzkopf kam auf Hakon zu. Er war unbewaffnet. Hakon legte seine rechte Hand an die Stelle, wo er unter der Kutte das Messer versteckte.
    «Was machst du hier, Mönch?», fragte der Hauptmann in der Sprache der Sachsen. Er hatte große, kräftige Hände, die er zu Fäusten geballt hatte.
    Es waren die Hände, die Thora festgehalten hatten, als der Graf ihr den Kopf abschlug.
    «Ich … muss in die Küche», erwiderte Hakon. «Ich soll helfen.»
    Der Glatzkopf musterte ihn. «Wie lange stehst du schon hier herum?»
    «Ich bin gerade erst gekommen.»
    Ein Schatten huschte über ihre Köpfe hinweg und landete auf dem Dach des Gasthauses. Hakon hörte das vertraute Krächzen.
    Hinter dem Blutmantel öffnete sich die Tür. Hakon sah Malinas Gesicht auftauchen. Als sie den Mann bemerkte, zog sie die Tür bis auf einen schmalen Spalt wieder zu.
    «Was hast du gesehen?», wollte der Hauptmann wissen.
    «Euch, Herr, und einen anderen Mann.»
    «Sonst nichts?»
    «Nein.»
    Der Glatzkopf legte die hohe Stirn in Falten. Dann schien er zur Seite treten zu wollen, zögerte aber, und ein breites Grinsen legte sich über seine Lippen.
    «Sprich ein Gebet für den König», sagte er.
    Hakon erstarrte. «Für … Otto?»
    Der Mann lachte, während Hakon fieberhaft überlegte, ob er irgendwann einen Christenpriester ein Gebet hatte aufsagen hören, das er wiedergeben könnte.
    Die Tür öffnete sich wieder.
    «Wo bleibst du denn so lange?», rief Malina.
    Der Hauptmann drehte sich zu ihr um. Das Lachen glitt aus seinem Gesicht. «Stör uns nicht, Weib!»
    Malina kam näher. Sie hatte sich umgezogen, hatte ihre Tunika gewechselt und sich eine Schürze umgebunden.
    «Hörst du nicht, was ich sage, Weib?», bellte der Glatzkopf.
    Malina lächelte ihn an. Es war ein Lächeln, von dem Hakon überzeugt war, dass es Stahlklingen zum Schmelzen bringen könnte.
    «Wir brauchen den Mönch in der Küche», sagte sie ruhig.
    Unverständliche Worte brummelnd, stapfte der Hauptmann davon und verschwand hinter der Ecke.
    Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke, denn wir haben zu kämpfen mit den Weltbeherrschern der Finsternis
, fielen Hakon die Worte wieder ein, die der Bischof damals auf der Landebrücke von Haithabu gerufen hatte. So oder so ähnlich.
     
    «Du Krötenschiss!»
    Hakon brauchte einen Augenblick, bis er begriff, dass der dicke Kerl mit dem roten Gesicht ihn meinte. Der Dicke hatte ein Schlachterbeil in der Hand und kam drohend näher.
    Hakon und Malina blieben am Eingang zur Küche stehen.
    «Hast wohl mit dem Weib rumgemacht, he?», rief der Dicke.
    Schweiß rann ihm über Gesicht und Doppelkinn. Die Schürze, die sich vor seinem Bauch spannte, war mit Resten von Blut und Eingeweiden beschmiert.
    «Der Abt hat versprochen, dass alle von euch bei Tagesanbruch in der Küche erscheinen. Du fauler Misthaufen! Was glaubst du, was hier los ist? Mach dich an die Arbeit!»
    Er ließ das Beil sinken und stapfte weiter zu seinem nächsten Opfer, einem jungen Mönch, der sich ungeschickt damit abmühte, ein Huhn zu rupfen. Der Dicke riss es ihm aus den Händen.
    «So geht das!»
    Federn wirbelten herum und verteilten sich auf dem Boden.
    «Nichtsnutze!», rief er kopfschüttelnd. «Alles Nichtsnutze. Arbeiten sollt ihr!»
    Hakon und Malina wechselten einen Blick.
    «Das ist der Koch», erklärte sie leise. «Ich habe mal für ihn gearbeitet. Aber er ist nicht immer so. Manchmal hat er richtig schlechte Laune.»
    Sie trat in die Küche. Hakon folgte ihr. Zusammen drängten sie sich vorbei an schuftenden, schwitzenden Mönchen, Dienern, Mägden und Sklaven. Die Küche erschien Hakon so groß wie die Halle eines Jarlshauses. Sie war ausgestattet

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