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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Noch immer dröhnte die Glocke.
    Auf der anderen Seite der Pfalanza, unterhalb der hohen Mauer, waren viele Menschen unterwegs. Sie kamen aus der Kathedrale und bewegten sich in Richtung des Palas.
    Hakon nahm an, dass die Krönungszeremonie, von der ihm die Frau erzählt hatte, bereits beendet war und sich die Menge nun zum Festmahl in den Palas begab. Wenigstens das hatte er noch nicht verpasst. Es musste ihm gelingen, irgendwie in den Palas zu kommen, den Grafen zu finden und ihn zu töten, und zwar bevor das verräterische Weib ihm die Soldaten auf den Hals hetzen konnte.
    «Hast du gut geschlafen?»
    Er wirbelte herum.
    Sie saß neben der Hütte auf einem Fass, ließ die Füße baumeln und lächelte ihn honigsüß an.
    «He, Krieger!», rief sie. «Ich bin’s. Du schaust mich an, als hättest du mich noch nie gesehen.»
    «Was … tust du hier?», entgegnete er verwirrt.
    «Ich genieße die Sonne und hoffe auf ein paar neue Sommersprossen. Weißt du, die meisten Frauen mögen keine Sommersprossen, aber ich liebe sie.»
    Sie kicherte. «Natürlich habe ich auf dich gewartet.»
    Sie rutschte vom Fass, nahm ein Stoffbündel, das neben dem Fass auf dem Boden lag, und kam damit zu ihm.
    «Ich wollte dich nicht wecken. Du hast geschlafen wie ein Toter, und da dachte ich mir, dass du den Schlaf brauchst. Für das, was du vorhast, kann es nicht schaden, wenn du ausgeruht bist. Hier!»
    Sie hielt ihm das Bündel hin.
    Hakon zögerte und schaute sich um. Es waren wirklich keine Soldaten in der Nähe.
    «Zieh es an!», forderte sie ihn auf.
    «Was ist das?»
    Sie lachte hell. «Oh, ich bin sicher, es wird dir gefallen.»
    Hakon nahm das Bündel und faltete es auseinander. «Eine Mönchskutte?»
    «Du willst doch zum Festmahl, und es gibt bestimmt viele Mönche im Saal.»
    «Woher hast du die Kutte?»
    «Ich habe dir doch erzählt, dass ich mich hier auskenne. Ich weiß, in welchem Gebäude die Mönche ihre Kleider aufbewahren. Mach schon!»
    Hakon verzog das Gesicht. Es war ihm zuwider, die Kleidung der verhassten Christen zu tragen. Aber er musste sich eingestehen, dass sie recht hatte, die Frau, von der er soeben noch geglaubt hatte, sie würde ihn verraten.
    Er legte seinen dunklen Mantel ab und schlüpfte in die Kutte. Malina legte ihm eine Kordel um den Bauch und knotete sie zusammen. Dann trat sie zwei Schritte zurück und musterte ihn.
    «In deinen anderen Kleidern gefällst du mir besser.»
    Sie holte etwas unter ihrer Tunika hervor und gab es ihm. Es war ein Holzkreuz mit einem Lederband.
    «Das auch noch?», fragte er.
    Sie nickte.
    Der Rabe stieß einen schimpfenden Laut aus.
    Seufzend legte sich Hakon das Band um den Hals. Dann ließ er sich von Malina ihren Plan erläutern, der zwar vollkommen verrückt und gefährlich klang. Aber Hakon hatte keine andere Wahl, als es genau so zu machen. Und Malina zu vertrauen.
     
    Ein Pfad führte Hakon durch Gärten mit geharkten Beeten und beschnittenen Obstbäumen und an Teichen vorbei, in denen Karpfen tote Insekten von der Oberfläche schlürften.
    Bald darauf näherte er sich dem belebten Teil zwischen der Kirche auf der einen und dem Palasgebäude auf der anderen Seite. Hakon senkte den Kopf unter der Kapuze. Die Kutte passte ihm hervorragend, und das war ein Glück. Er war deutlich größer als die meisten Mönche.
    Niemand beachtete ihn, als er zu den Menschen aufschloss. Rechter Hand hatte sich vor dem Eingang zum Palas eine Schlange gebildet. Bewaffnete Soldaten kontrollierten jeden, der hineingehen wollte.
    Hakon spürte den Druck des Messers an seiner Hüfte.
    Er zwang sich, ruhig zu atmen und beim Gehen auf seine Schritte zu achten.
    Menschen standen in kleinen Gruppen zusammen und vertrieben sich die Wartezeit, bis der Andrang nachlassen würde. Hakon sah Männer in kostbaren Mänteln und sogar einige Frauen mit geschminkten Gesichtern und Kleidern aus schimmernden Stoffen. Priester gingen auf und ab, auch viele Mönche, und immer wieder Soldaten des Königs mit grimmigen Gesichtern und achtsamen Blicken.
    Mit gemessenen Schritten bewegte sich Hakon durch die Menge. Den Kopf hielt er gesenkt. Das Kreuz pendelte vor seiner Brust. Ein Mönch trat ihm in den Weg, nickte ihm kurz zu und ging dann weiter. Hakon nickte unter der Kapuze zurück.
    Dann erreichte er endlich das Gästehaus, von dem Malina ihm erzählt hatte. Hakon entdeckte den Weg, der am Gebäude entlangführen sollte. Abseits des Trubels näherte er sich der Hausecke, hinter der er auf einen

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