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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Hatte Wichmann bei Eurer Untersuchung noch seinen Ring?»
    «Nein», antwortete Storolf.
    «Wenn Ihr ihn nicht gestohlen habt und keiner Eurer Männer, dann kommt dafür wohl nur einer in Frage: der Mörder!»
    Harald wiegte bedächtig den Kopf hin und her. «Ihr wollt damit also sagen, Sigurd selbst hätte Wichmann getötet und den Ring seiner Frau geschenkt?»
    Thankmar nickte langsam. Seine Kopfschmerzen wurden immer stärker. Es war an der Zeit, zum Ende zu kommen.
    «Genauso war es», sagte er bestimmt.
    «Aber Sigurd war noch niemals in Haithabu», warf Storolf ein. «Meine Männer kontrollieren jedes Schiff, und ein Mann wie Sigurd wäre ihnen aufgefallen. Außerdem kennt er sich hier nicht aus. Wie hätte er sich in der Stadt zurechtfinden sollen?»
    «Wer spricht denn davon, dass er allein war?», unterbrach Thankmar den Jarl. «Sigurd hatte natürlich einen Verbündeten – oder soll ich lieber sagen: eine Verbündete!»
    Er drehte sich um und zeigte auf die Zauberin.
    Überall im Saal wurden Stimmen laut. Männer riefen den Namen der Seherin.
    «Ruhe!», sagte Harald.
    Da niemand ihm zugehört hatte, sprang er auf und schrie mit kreischender Stimme: «Ruhe! Seid ruhig, verdammt!»
    Das Kruzifix rutschte von der Lehne. Auch der mit Edelsteinen verzierte Becher fiel hinter Harald zu Boden. Der Wein versickerte im Stroh.
    Die Männer im Saal verstummten.
    Der Dänenkönig und Thankmar standen nun unmittelbar voreinander. Beide waren sie groß gewachsene Männer, und obwohl Harald gut zwanzig Jahre älter war, schien er Thankmar an Körperkraft in nichts nachzustehen.
    Nachdem sie sich eine Weile mit Blicken gemessen hatten, ließ Harald sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Die Ellenbogen auf die Lehnen gestützt, legte er die Fingerspitzen gegeneinander.
    Dann sagte er: «Viele Männer in diesem Saal kennen die Seherin. Sie ist eine weise Frau, die mit den Göttern spricht und die Heilkünste beherrscht. Sie wird geachtet – wenn auch nicht mehr von allen Dänen, seit Euer König diesen Bischof hierhergeschickt hat, der ihr die Ausübung ihrer Rituale verboten hat.»
    «Das geschieht nur zum Wohle der Menschen», mischte Poppo sich ein. «Was diese Frau macht, ist Blasphemie, Gotteslästerung …»
    Thankmar machte schnell einen Schritt zur Seite, sodass er zwischen Poppo und dem Dänenkönig stand. Der Bischof war noch nicht an der Reihe, und Thankmar hoffte, die Angelegenheit auch ohne dessen Eingreifen regeln zu können.
    «Sie übt noch immer ihre Rituale aus – trotz des Erlasses durch Otto», sagte er. «Dafür haben wir Beweise!»
    Er berichtete von mehreren Fällen, in denen die Seherin heidnische Zeremonien ausgeübt habe, bis hin zu Gunnlaug und ihren geheilten Beinen. Dann zeigte er das mit Runen verzierte Holzstäbchen herum.
    Jarl Storolf hatte Thankmars Ausführungen mit grimmiger Miene verfolgt. «Das alles beweist nicht, dass Velva mit Sigurd gemeinsame Sache gemacht hat.»
    Damit hatte Storolf natürlich recht. Thankmar musste daher der Wahrheitsfindung auf die Sprünge helfen, indem er einen weiteren Beweis präsentierte. Wenn auch dies die Dänen nicht überzeugte, würde Poppo zum Einsatz kommen und die Sache mit göttlicher Beweisführung zu Ende bringen.
    Thankmar zeigte ein Messer vor. «Mit diesem Messer wurde Wichmann getötet. Es gehörte Sigurd, und wo – König aller Dänen! – glaubt Ihr wohl, habe ich es gefunden?»
    Harald zuckte mit den Schultern.
    «Im Haus der Seherin!», rief Thankmar.
    Wieder erfüllten Stimmen die Halle. Thankmar glaubte aus den Äußerungen herauszuhören, dass ihm ein guter Teil der Dänen glaubte und für den Verrat eine Bestrafung der Seherin forderte.
    Harald rief erneut nach Ruhe. Dann sagte er zu Thankmar: «Geht jetzt. Wir werden über die Sache beraten. Die Verhandlung wird morgen fortgesetzt …»
    «Nein!», widersprach Thankmar. «Hier und heute soll ein Urteil gesprochen werden. Ich erwarte, dass Ihr das Weib verurteilt – und zwar zum Tode!»
    Da hielt es Storolf nicht mehr an seinem Platz. «Das Messer kann jedem gehören, genau wie der Finger. Nichts von dem, was der Markgraf behauptet, kann bewiesen werden!»
    Für diesen Zwischenruf erhielt Storolf viel Zustimmung aus dem Saal. Viel zu viel Zustimmung, wie Thankmar ernüchtert feststellte.
    Also gut! Dann musste Gott über das Schicksal der Seherin entscheiden, und Gott würde ganz im Sinne Thankmars urteilen.
    Thankmar trat vor Storolf.
    «Ihr solltet ein wenig mehr

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