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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Honigwein gefüllte Becher und mit Fisch, Fleisch und Brot beladene Holzplatten.
    Offenbar hatten die dänischen Jarle, Krieger und Großbauern ihre Verhandlungen bereits abgeschlossen und widmeten sich nun dem Gelage.
    Ein unangenehmes Kribbeln kroch Thankmar über den Rücken, während er an den bärtigen, langhaarigen Männern vorbei weiter in den Saal ging. Unter seinen Stiefeln raschelte das Stroh. Er konnte die Feindseligkeit, die er in den Blicken der Dänen sah, geradezu körperlich spüren. Thankmar war Sachse und somit ihr Feind, auch wenn seit einigen Jahren zwischen den Völkern Frieden herrschte.
    Der Dänenkönig, an den sich Thankmar mit seinem Anliegen wenden wollte, saß auf einem erhöhten Stuhl am Kopfende des Saals. Sein Name war Harald. Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt und der Sohn des legendären Gorm, genannt der Alte. Gorm stammte aus dem Geschlecht der Jellinge. Es war ihm gelungen, in jahrelangen Kämpfen als erster Herrscher die verfeindeten Stämme Jütlands zu vereinen. Somit konnte Gorm sich mit Recht König aller Dänen nennen, und dies führte sein Sohn fort.
    Als sich Thankmar dem ergrauten Harald näherte, richtete der sich in seinem Stuhl auf. Der Blick, mit dem er den bandagierten Markgrafen empfing, war nicht herzlich. Aber so wie alle anderen schwieg auch Harald beharrlich.
    Er trug einen blauen, mit Stickereien versehenen Mantel, der auf Schulterhöhe von einer silbernen Fibel zusammengehalten wurde. Unter dem Mantel glitzerte auf seiner Brust die Königskette seines Vaters. Dieser Schmuck, so hatte Thankmar gehört, war der wertvollste seiner Art in den Ländern des Nordens. Die Kette war aus unzähligen, ineinander verflochtenen Goldfäden gefertigt worden, an denen Perlen, goldene Schlangenfiguren und Raubvögelköpfe hingen.
    Haralds Blick glitt von Thankmar zu Poppo, dann zu Velva. Dem König war anzusehen, dass er darüber nachdachte, was Thankmar wohl mit dem gefesselten Weib vorhatte, er fragte aber nicht danach.
    Thankmar trat vor und verbeugte sich. «Ich freue mich, Euch die Grüße meines Königs Otto überbringen zu dürfen», sagte er.
    Das war zwar glattweg gelogen, erzielte aber den erhofften Effekt.
    Haralds Miene hellte sich ein wenig auf.
    «Euer König hat die Ungarn besiegt», meinte er.
    Seine Stimme klang ungewöhnlich schrill, beinahe wie die einer Frau.
    «O ja!», erwiderte Thankmar. «Und ich hatte die Ehre, in der großen Schlacht dabei zu sein.»
    Harald nickte anerkennend und trank einen Schluck Wein aus einem mit Edelsteinen verzierten Becher.
    Im Hintergrund hörte Thankmar das Klappern von Bechern. Offenbar hatten die anderen Dänen das Trinken ihres Königs als Aufforderung verstanden und griffen nun selbst zum Wein.
    Von irgendwoher wurde ein abgenagter Geflügelknochen gegen Thankmars Mantel geworfen.
    Er tat so, als habe er nichts bemerkt, ließ sich von Poppo das vorbereitete Geschenk geben und reichte es dem König.
    Harald schlug das Tuch auseinander, in das ein handtellergroßes, an einem Lederband befestigtes Kruzifix eingewickelt war. Er hielt es an dem Band in die Höhe. Sein Gesicht zeigte keine Begeisterung.
    «Silber», knurrte er. «Ist es wertvoll?»
    «Der Wert liegt vor allem in seiner Bedeutung», entgegnete Thankmar schnell, bevor Poppo die Gelegenheit ergreifen konnte, von der Herrlichkeit und Allmacht des Christengottes zu schwärmen.
    Harald hängte das Kruzifix über die Lehne seines Stuhls, tippte mit einem Finger dagegen und sah gelangweilt zu, wie das Kreuz hin und her baumelte.
    «Man könnte es einschmelzen und Münzen daraus fertigen lassen», sagte er dann.
    Im Saal lachten einige Männer.
    «Das Kreuz symbolisiert das Leiden Christi …», empörte sich Poppo.
    Thankmar schnitt ihm das Wort ab. «Ich hoffe, Euer Vater erfreut sich bester Gesundheit, Harald.»
    «Der alte Gorm ist krank. Er schlürft dünnen Brei wie ein Kleinkind.»
    Geschieht dem Bastard recht, dachte Thankmar, sagte aber freundlich: «Das tut mir aufrichtig leid. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er sich schon bald wieder bester Gesundheit erfreut.»
    Harald zuckte mit den Schultern. «Bald werden die Götter ihn zu sich rufen. Aber Ihr seht auch nicht aus wie das blühende Leben, Markgraf. Seid Ihr vom Pferd gefallen? Oder trägt man jetzt einen solchen Kopfschmuck bei den Sachsen?»
    Gelächter hallte durch den Saal. Auch der König zeigte zum ersten Mal eine Gefühlsregung. Er verzog seine Lippen zu einem breiten Grinsen. Dabei

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