Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
traute niemandem. Er würde sich erst sicher fühlen, wenn er bei Velva war.
    Gleich hinter dem Tor verließ er den Weg und bog zu den Grubenhäusern ab. Hier waren viele Menschen unterwegs. Aki drängte sich durch die Menge und hörte Männer und Frauen fluchen, wenn er sie mit seinen Ellenbogen stieß. Einmal wäre er beinahe ausgerutscht. Aber es gelang ihm, sich auf den Beinen zu halten – und dann kam er an die letzte Häuserecke, hinter der das Haus seiner Mutter stand.
    Er hatte es geschafft, hatte Grim abgeschüttelt und auch noch sein Geld wieder! Gewonnen hatte er dadurch zwar nichts, aber für heute immerhin sein Leben gerettet.
    Er verlangsamte seine Schritte, ging an der letzten Ecke vorbei, trocknete seinen tränenverschleierten Blick und blieb mit einem Mal so abrupt stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt.
    Vor dem Grubenhaus sah er Soldaten. Er fragte sich, was sie bei seinem Haus machten. Dann erst wurde ihm bewusst, dass ihre Mäntel blutrot waren und dass solche Mäntel nur die Soldaten des Markgrafen trugen.
    Ihm war, als bliebe sein Herz stehen.
    Er sah Asny und seine Mutter aus dem Grubenhaus steigen. Velva trug Gyda auf dem Arm. Hinter ihnen gingen zwei Männer. Der eine war der Bischof, der andere war nicht zu erkennen, da sein Kopf bis unter die Nase bandagiert war, nur Augen, Mund und Kinn waren frei. Die beiden stießen Asny und Velva vor sich her. Da stolperte Akis Mutter und fiel hin. Sofort riss ihr der Bischof Gyda aus den Armen, und der Bandagierte trat Velva so hart in die Seite, dass sie vor Schmerzen aufschrie.
    Die Soldaten lachten.
    Grims wütende Rufe kamen näher.
    Doch Aki hatte Grim und alles andere, was an diesem Morgen geschehen war, vergessen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und stürmte gegen die Soldaten an. Er musste seine Familie verteidigen.

8.
    Die Gefangennahme der Seherin war ein erster Schritt. Um sie zu verurteilen, wollte sich Thankmar aber die Zustimmung der dänischen Stammesfürsten einholen. Die Seherin war nicht irgendeine Bäuerin, die er einfach töten konnte – auch wenn er als der Herr der Mark das Recht dazu hatte und ihn nicht einmal der Dänenkönig daran hindern konnte. Aber Thankmar wusste, dass er bei den Dänen unbeliebt war, und er brauchte sie noch, zumindest deren Führer.
    Voller Erwartung holte er Velva und ihre Kinder noch am Abend desselben Tages aus der Kirche, in die man sie gesperrt hatte, und brachte sie zum Versammlungshaus der Stadt. Er hatte die Gefangenen fesseln und knebeln lassen. Dadurch wollte er verhindern, dass die Seherin oder ihre Brut die Verhandlung störten. Sicher, die Zauberin sollte Gelegenheit bekommen, sich zu verteidigen. Aber erst, wenn Thankmar den Zeitpunkt für richtig hielt.
    Von Poppo und den Soldaten begleitet, kamen sie zum Versammlungshaus, einem Holzbau mit kleinen Fenstern und aufragendem Reetdach, in der Nähe des Hafens. Am Eingang mussten sie ihre Schwerter und Lanzen abgeben. Auch bei den Dänen galt das Gesetz, dass Waffen bei Versammlungen verboten waren, damit Konflikte nicht zu blutigen Kämpfen ausarteten.
    Thankmar zupfte den Verband zurecht, um durch die Augenschlitze besser sehen zu können. Sein Kopf schmerzte noch immer. Der gefiederte Dämon hatte ihm mit seinen Krallen und Schnabelhieben hässliche Wunden zugefügt. Aber er war Schmerzen gewohnt, und zum Glück waren seine Augen nicht verletzt worden.
    Weitaus größere Sorgen bereitete ihm die Tatsache, dass der dunkle Krieger den Talisman mitgenommen hatte, und so verfolgte ihn seither das beängstigende Gefühl, schutzlos zu sein. Von Poppo hatte er sich zwar ein geweihtes Kruzifix geben lassen, das er stattdessen um den Hals trug, aber das war kein wirklicher Ersatz.
    Die Tür wurde geöffnet, und sie traten ein. Thankmar ging voran. Poppo folgte ihm auf den Fuß, wobei er die mit Stricken zusammengebundenen Gefangenen hinter sich herzog. Nur drei Soldaten durften Thankmar begleiten, mehr hatten die Wachen nicht zugelassen.
    Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tür hinter ihnen zu.
    In dem saalartigen Raum dauerte es einen Moment, bis sich Thankmars Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Die kleinen Fenster waren alle geschlossen worden. Ein Bodenfeuer und mehrere Fackeln an den Wänden warfen flackernde Schatten auf Dutzende Gesichter, die sich Thankmar und seinen Begleitern zuwandten. Bei ihrem Eintreten waren alle Gespräche verstummt. Die Dänen saßen an langen Tischen, vor ihnen standen mit Bier oder

Weitere Kostenlose Bücher