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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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kamen in breiter Linie auf den Hof zugerannt. Sie sahen nicht aus wie einfache Bauern. Sie sahen aus wie Krieger! Brüllend schwenkten sie Beile, Schwerter, Lanzen und Bögen. Einige schossen bereits im Laufen die ersten Pfeile auf die Eindringlinge ab und verletzten zwei von Hakons Männern tödlich.
    Bevor die nächsten Pfeile niedergingen, duckten sich die Seeräuber unter ihre Schilde. Hakon rief sie zu dem Ausgang, durch den die Frauen geflohen waren. Als sie jedoch mit den Schilden über den Köpfen darauf zuliefen, sahen sie, dass sich auch von der Seite gut zwanzig schwer bewaffnete Svea näherten.
    Der Hof war eine tödliche Falle. Hakon und seine Männer waren eingekreist, die Jäger zu Gejagten geworden.
    Sie haben uns die ganze Zeit beobachtet, schoss es Hakon durch den Kopf. Vermutlich hatten sie den Wellenspalter entdeckt und alle Männer aus der Umgebung zusammengetrommelt. Aber warum so viele? Die Höfe lagen oft meilenweit auseinander. Selbst ein schneller Läufer hätte nicht so viele Männer in so kurzer Zeit alarmieren können. Auch konnte sich Hakon nicht erklären, warum die Männer bis an die Zähne bewaffnet waren, als hätten sie gegen einen übermächtigen Feind gerüstet.
    Die Svea rückten weiter vor. Hakon rief seine restlichen Männer zusammen. Zwei weitere waren von Pfeilen durchbohrt worden.
    Als die Angreifer auf den Hof liefen, zogen sich Hakon und seine Männer zu einer Stelle zurück, an der die Mauer mannshoch aufragte und ihnen daher zumindest von einer Seite einen gewissen Schutz bot. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Die Svea waren zwar bewaffnet wie Krieger, aber im Nahkampf verhielten sie sich wie Bauern. Ohne Ordnung hieben sie ungestüm auf die Schilde ein. Dadurch konnten Hakons Männer sie mit Schwertstößen auf Abstand halten und mehrere töten. Hakon selbst gelang es, zwei Angreifern seine Klinge in den Leib zu stoßen.
    Da zogen sich die Svea plötzlich einige Schritte zurück und verharrten abwartend. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich die grimmige Entschlossenheit, ihr Hab und Gut zu verteidigen. Junge Kerle waren darunter, einige fast noch Kinder, und Ältere, zahnlose Greise mit struppigen Bärten. Es schien, als hätten sie alles zusammengezogen, was eine Waffe halten konnte.
    Hakons Atem ging keuchend. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht.
    Ein Wikinger verlor die Nerven und forderte die Gegner zum Kampf auf. Provozierend ließ er sein Schild sinken, riss sich Mantel und Hemd vom Leib und hieb mit seinem Beil in Richtung der abwartenden Svea.
    «Kommt schon, ihr Bastarde!», rief er. «Wir schneiden euch die Eingeweide raus, und dann holen wir eure Weiber …»
    Doch er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Mit einem Mal wurde es um die Seeräuber herum dunkel. Etwas landete auf Hakons Kopf und verdeckte ihm die Sicht. Er riss es herunter und stellte überrascht fest, dass es eine Hose war. Schon folgten weitere Kleidungsstücke, die ihm ebenso die Sicht raubten wie seinen Männern. Mäntel, Hemden, Tuniken, Hosen und Tücher wurden über die Mauer auf sie geworfen und machten sie nicht nur blind, sondern auch ihre Waffen unschädlich.
    Während die Seeräuber verzweifelt versuchten, ihre Schwerter und Beile von den Kleidern zu befreien, griffen die Svea wieder an, und dieses Mal überwältigten sie die Eindringlinge in einem Handstreich. Es war ein Gemetzel, das nur vier von ihnen überlebten, unter ihnen Hakon.
     
    Die Svea trieben die Überlebenden in der Mitte des Hofs zusammen. Sie schlugen und traten die Gefangenen und fesselten sie an Händen und Füßen.
    Hakon blutete aus unzähligen Wunden. Seine Lippen waren aufgeplatzt, aus seiner Nase lief Blut. In der Brust spürte er heftige Stiche.
    Vier Jahre lang war er zur See gefahren, hatte Dutzende Kämpfe miterlebt und viele Männer getötet. Er hatte sie seine Klinge spüren lassen. Und nun war er von Bauern überwältigt worden, von Kindern und Alten und von Männern, deren Hände normalerweise Pflüge führten, aber keine Schwerter.
    Ein Hustenanfall schüttelte Hakon. Er spuckte blutigen Schleim auf den staubigen Boden.
    Er fragte sich, wo der Rabe war. Bislang war der Vogel immer zur Stelle gewesen, wenn er ihn brauchte. Aber seit die Bauern gekommen waren, hatte er den Raben nicht mehr gesehen.
    Der Vogel spürt, dass ich dem Tode geweiht bin, dachte Hakon bitter.
    Als er aufschaute, sah er einen Mann über sich stehen. Mit wutverzerrter Miene schaute er auf Hakon herab. Er hatte das wettergegerbte

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