Das Lied des Todes
machten.
29.
An den Ausläufern der Schären holte die Mannschaft das Segel ein und legte die Riemen bereit. Rudernd manövrierten sie den Wellenspalter an Steinen vorbei, bis sie unterhalb der felsigen Küste eine seichte Stelle entdeckten. Jenseits des Anlandeplatzes stand ein Wald, in dem Nadelbäume, vereinzelt auch Birken und Buchen wuchsen.
Nachdem das Schiff angelandet war, wählte Pálnir zwei Gruppen mit je einem Dutzend Männer aus. Die Übrigen blieben an Bord, um das Schiff zu bewachen und gegebenenfalls den Rückzug zu sichern.
Pálnir übernahm die Führung der einen Gruppe, Hakon die der anderen. Der Plan lautete, dass sie keilförmig ausschwärmen sollten. Ein Trupp würde den Wald in nördlicher und der andere in südlicher Richtung durchkämmen. Fanden sie bis zum Abend keinen Hof, den man ohne größere Gefahr angreifen und ausrauben konnte, würden sie zum Schiff zurückkehren.
Bewaffnet mit Schwertern, Beilen, Helmen und Schilden, machten sie sich auf den Weg. Hakon führte seine Gruppe ins Unterholz. Seine Begleiter waren gestandene Kämpfer, harte Kerle, die den Tod nicht fürchteten. Doch das erfolglose Jahr hatte seine Spuren hinterlassen. Der eintönige Alltag an Bord, die Langweile, der Hunger und die vielen Rückschläge hatten sie ausgezehrt. Immer häufiger hatte Pálnir in den vergangenen Wochen Streit schlichten und Recht sprechen müssen. Einmal hatte er zwei Streithähne eigenhändig über Bord geworfen, als Warnung für die anderen.
Hakon wunderte sich daher nicht, dass bei den entmutigten Männern keine rechte Begeisterung aufkommen wollte, während sie ihm durch Farnfelder und über umgestürzte Bäume folgten. Niemand glaubte noch an einen Erfolg.
Das änderte sich schlagartig, als sie den Waldrand erreichten. Auf einer weitläufigen Lichtung stand ein einzelnes Gehöft. Das Langhaus und die Nebengebäude waren von einer Steinmauer umgeben. Auf dem Hof hielten sich Menschen auf, etwa ein halbes Dutzend. Es schienen ausschließlich Frauen zu sein. Bei ihrem Anblick begannen einige der Seeräuber wie hungrige Wölfe zu knurren. Sie hatten lange keine Weiber mehr gehabt.
Sofort nahmen sie die Schilde vom Rücken, zogen Schwerter und Beile.
Aber Hakon zögerte. Es machte ihn stutzig, dass kein einziger Mann zu sehen war. Auf einem Hof dieser Größe müssten mindestens zehn Männer leben. Wo waren sie? Es war durchaus möglich, dass sie sich in den Gebäuden aufhielten oder den Hof verlassen hatten, um die Ernte einzuholen, zu jagen oder zu fischen. Aber alle Männer gleichzeitig?
Die Wikinger wurden ungeduldig. Hakon konnte sie nicht mehr lange aufhalten. Auf Pálnir zu warten, erschien ihm nicht sinnvoll. Der war sicher ein gutes Stück weit entfernt.
Also gab er das Zeichen. Sofort rückten die Männer vor und stürmten in einer Reihe aus dem Wald. Der Rabe erhob sich von Hakons Schulter und flog voraus.
Alarmiert vom Brüllen der Wikinger, wandten ihnen die Frauen die Gesichter zu. Einige Weiber stießen schrille Warnschreie aus, dann rannten sie zu einem Ausgang auf der anderen Seite. Als die Seeräuber den Hof erreichten, waren die Frauen bereits im Wald verschwunden.
Hakon marschierte auf den Innenhof. Er hörte seine Männer fluchen. Sie wollten die Frauen verfolgen, doch Hakon befahl ihnen hierzubleiben.
Über dem Anwesen lag eine bedrückende Stille. Es waren keinerlei Geräusche zu hören, nicht von arbeitenden Menschen, nicht von blökenden Schafen oder grunzenden Schweinen.
Hakon schaute zum Raben hinauf, der sich auf dem Dach des Wohnhauses niedergelassen hatte.
Er würde mich warnen, dachte Hakon und schickte die Männer ins Haus. Er selbst blieb auf dem Hof zurück und behielt den Wald rund um die Lichtung im Auge.
Nach einer Weile kehrten die Männer zurück. Sie hatten nichts von Wert gefunden. Kein Silber, keine Waffen, nur ein paar Brote und Räucherwürste. Daraufhin schickte Hakon sie in die Schuppen. Aber auch darin war keine Beute, nicht einmal ein Schwein, das sie hätten schlachten und mit an Bord nehmen können.
Wütend schlug einer der Männer vor, alle Gebäude in Brand zu setzen.
Hakon wies ihn ab. Der Rauch wäre meilenweit zu sehen, vermutlich noch auf Hising. Stattdessen beschloss er, die Männer erneut in die Schuppen zu schicken, damit sie die Böden untersuchten. Manchmal versteckten die Bauern ihr Hab und Gut in Erdhöhlen, die unter Brettern verborgen waren.
Da stieß der Rabe ein lautes Krächzen aus.
An die zwanzig Svea
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