Das Lied des Todes
Gesicht eines Bauern. In einer Hand hielt er ein Schwert, in der anderen ein Beil.
Hinter ihm hatte sich eine größere Menschenmenge versammelt, darunter waren auch die zurückgekehrten Frauen.
Sie werden uns töten, dachte Hakon. Sie werden uns alle töten.
Er hoffte, dass man ihm im Augenblick des Todes wenigstens ein Schwert in die Hand geben würde, damit er nicht unbewaffnet vor die Götter treten musste.
Hakon drehte sich auf den Rücken und versuchte sich aufzusetzen. Ein brennender Schmerz durchzuckte seinen Oberkörper.
Er sah eine junge Frau aus der Menge vortreten und zu dem Mann mit dem Schwert und dem Beil kommen. Dann hockte sie sich vor Hakon und starrte ihn mit hasserfülltem Blick an. Ihre Augen waren blau wie der Morgenhimmel; ihr Gesicht wies ebenmäßige Züge auf. An der hellroten Tunika mit den silbernen Fibeln erkannte er sie als die Frau wieder, die den Warnschrei ausgestoßen hatte. In der rechten Hand hielt sie ein Messer, das sie langsam gegen seinen Hals drückte. Die Menschen forderten lautstark seinen Tod.
Hakon spürte, wie sich der Druck der Klinge verstärkte.
Da beugte sich der Mann zu der jungen Frau herunter und zog ihre Hand weg.
«Ich muss ihn töten!», fauchte sie den Mann in der Sprache der Nordmänner an. Ihre Stimme klang seltsam undeutlich.
Als sie ihren Mund öffnete, sah Hakon, dass die beiden oberen Schneidezähne fehlten, was ihrem schönen Gesicht einen jammervollen Ausdruck verlieh.
«Lass mich den Bastard umbringen!», schrie sie.
Der Mann schüttelte den Kopf und wandte sich an Hakon. «Bist du der Anführer dieser Räuber?»
Hakon nickte.
«Wie ist dein Name?»
«Hakon.»
«Du und deine Männer – ihr werdet sterben!», sagte der Mann, und die Menschen jubelten.
«Werdet … ihr mich ein Schwert halten lassen?», brachte Hakon seinen letzten Wunsch vor.
Ein verächtliches Grinsen legte sich über die Lippen des Bauern. «Für so viel Dummheit hast du keinen ehrenvollen Tod verdient!»
Er machte eine nachdenkliche Miene. «Bevor du jedoch stirbst, wirst du mir erzählen, warum ihr zurückgekehrt seid. Es gibt hier nichts mehr zu holen für euch.»
Zurückgekehrt?, überlegte Hakon. Was meinte der Bauer damit?
«Wir waren noch nie hier», sagte er.
«Lügner!», schrie die Frau.
Sie wollte sich auf Hakon stürzen, aber der Bauer hielt sie erneut zurück.
«Du wirst deine Rache früh genug bekommen, Jofried», sagte er.
Widerwillig ging sie zu den anderen zurück.
Da rief einer von Hakons Männern, der Ragi hieß: «Tötet uns endlich, ihr Schweinehunde. Je schneller wir es hinter uns haben, desto besser.»
Der Bauer gab einem jungen Mann, der kaum älter als sechzehn zu sein schien, ein Zeichen. Der Svea ließ sich ein Beil geben. Dann ging er mit stolzgeschwellter Brust zu Ragi, packte ihn an den Haaren und schleifte ihn von den anderen fort.
«Schlag fest zu!», zischte Ragi. «Ich kann es kaum erwarten, nach Walhall zu kommen, und dann pisse ich auf euch alle. Mach endlich!»
Trotz seiner Worte stand ihm die Todesangst ins Gesicht geschrieben. Hakon hatte ihn nie leiden können. Ragi war ein Großmaul und prahlte mit Taten, die er niemals begangen hatte. Jetzt hatte Hakon jedoch Mitleid mit ihm. Es war ein Unterschied, ob ein Mann kämpfend mit dem Schwert in der Hand sein Leben ließ oder ob er unehrenhaft hingerichtet wurde.
Der Sveajunge wechselte einen Blick mit dem Bauern. Dann führte er das Beil hinter sich, holte aus und ließ es auf Ragis Kopf niederfahren.
Hakon schloss die Augen. Er hörte Ragis Schädel brechen und den Jubel der umstehenden Svea.
Als er die Augen wieder öffnete, lag Ragi mit gespaltenem Schädel in einer Blutlache.
Der Bauer stieß Hakon gegen die Stirn. «Hast du es auch so eilig wie dein Freund?»
Hakon wollte etwas erwidern und den Bauern erneut um ein Schwert bitten, als er einen Schatten am Himmel kreisen sah. Der Rabe kehrte zurück! Er drehte zwei Runden über dem Hof, bevor er sich wieder auf dem Dach des Langhauses niederließ.
Ich muss Zeit gewinnen, dachte Hakon.
«Du schuldest mir eine Antwort», sagte der Bauer. «Warum bist du zurückgekehrt?»
«Ich war noch nie hier», wiederholte Hakon.
Der Bauer legte die Stirn in Falten. «Willst du damit sagen, ihr gehört nicht zu der Flotte, die während des Sturms bei Hising vor Anker lag?»
«Wir kommen von Norden.»
«Hakon hat recht», sagte Baug, einer der anderen beiden noch lebenden Seeräuber. «Wir wollten nach Túnsberg, als
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