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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ihr näherte und niemand sie beide bemerkte. Im nächsten Moment schnappte sie nach Luft, weil ihr die Brust eng wurde. Hinter ihm trat eine junge Frau auf das Pflaster, zu der sich Martin nun umwandte. Lächelnd bot er ihr den Arm und sagte etwas, das Anna nicht verstehen konnte. Einige alte, gekrümmte Menschen schritten an ihr vorüber, und Anna stellte sich auf die Zehenspitzen. Das rotblonde Haar der schönen Fremden war zu einem Zopf geflochten, der unter der weißen Haube hervorlugte, das schmal geschnittene blaue Festtagsgewand betonte ihre schlanke Gestalt. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie ihre Hand auf Martins Arm legte und die beiden über den Kirchplatz schlenderten. Anna schlug die Hand vor den Mund, um das Keuchen zu unterdrücken, das in ihrer Kehle aufstieg. Ihr war, als ob der Himmel über ihr einstürzte, und sie meinte, das Pflaster unter ihren Füßen würde sich bewegen. Martin! Ihre Lippen formten einen stummen Schrei, während das Paar in eine Gasse einbog. Mit geweiteten Augen starrte Anna auf die beiden Gestalten, bis sie einträchtig miteinander plaudernd hinter einer Häuserecke verschwanden, die auf direktem Weg zu Pfanners Haus führte. Sie wollte ihnen hinterherlaufen, Martin fragen, wieso er die fremde Frau so innig am Arm führte, aber ihre Beine versagten ihr den Dienst.
    Erst als ein Mann sie anrempelte und derbe fluchend an ihr vorbeihumpelte, erwachte sie aus der Erstarrung. Die Glieder schwer wie Blei, setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging über den Kirchvorplatz auf die geöffneten Türen des Gotteshauses zu. Sie ließ sich auf den Boden sinken, lehnte den Kopf gegen die Mauer und schloss die Augen. Martin und diese schöne Frau hatten recht vertraut gewirkt. Ihr Lächeln hatte von Zuneigung gesprochen, niemals würde Anna vergessen, mit welchen Blicken die Fremde Martin bedacht hatte. Wer war diese Person? Und wieso besuchten sie gemeinsam die Messe?
    Jeder dieser Gedanken schmerzte in ihrem Leib. Andererseits gehörte Martin zu jenen Männern, denen die Frauen gern hinterhersahen. Beruhige dich, redete sie sich selbst gut zu. Diese Frau wird eine Bekannte sein, wahrscheinlich haben sie sich lange nicht gesehen. Es hat nichts zu bedeuten, alles wird sich aufklären. Schließlich konnte Martin auch nicht damit rechnen, ihr hier vor dem Gotteshaus zu begegnen, warum also hätte er sich umblicken sollen? Die dicke Kirchenmauer im Rücken zu fühlen, erschien ihr tröstlich. Je länger sie dort verharrte, desto mehr Kraft und Zuversicht flossen in ihre schweren Glieder zurück. Sie wollte sich gerade erheben, um Martin und der schönen Unbekannten zu folgen, da erschien ein Mann von ungefähr Mitte zwanzig in der Tür. Wangen und Kinn wurden von einem dunklen, sorgfältig gestutzten Bart bedeckt, das schwarze Haar fiel ihm bis auf die Ohren. Andreas Osiander war seit zwei Jahren Pfarrer an St. Lorenz. Als er Anna gewahr wurde, musterte er sie freundlich.
    » Gott zum Gruße, Hochwürden, ich bitte Euch … « , brachte sie hervor und hielt inne. Eigentlich müsste sie dem Pfarrer eine Lügengeschichte auftischen, sein Mitgefühl heraufbeschwören, aber sein gutmütiges Gesicht und der offene Blick ließen sie verstummen. Anna versuchte sich zu sammeln.
    » Was kann ich für Euch tun? «
    » Ich habe … eine weite Reise hinter mir und « , Anna senkte den Kopf, » weder Geld, noch weiß ich, wo ich schlafen soll. Ich bin hungrig und müde. «
    » Das ist Euch deutlich anzusehen « , erwiderte er und setzte sich neben sie. » Seid Ihr krank oder verletzt? «
    Zögernd schüttelte sie den Kopf. » Nein, das nicht. Nur habe ich in dieser Stadt niemanden, an den ich mich wenden kann. Wisst Ihr vielleicht einen Ort, an dem ich die Nacht verbringen kann? Eine Hütte, ein Stall, nur nicht mehr frieren. Ich will gerne arbeiten für die Unterkunft. «
    Osianders Blick ruhte voller Mitgefühl auf ihr. » Es gibt ein neues Armenhaus, leider nehmen sie nur alte Männer und solche auf, die zu krank zum Arbeiten sind. Außerdem seid Ihr eine Frau. « Er schien einen Moment lang zu überlegen. » Wie ist Euer Name? «
    » Anna. «
    » Kommt mit ins Pfarrhaus, Anna. Ich wohne zwar bescheiden, kann Euch jedoch eine kleine Kammer zur Verfügung stellen, die mir als Vorratsraum dient. Besser als eine Hütte oder ein Stall ist sie allemal. Es wäre ja nur für eine Nacht, morgen reist Ihr sicher weiter? «
    Anna nickte und folgte dem Pfarrer die wenigen Schritte zu dem Häuschen

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