Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Das alles tut mir schrecklich leid, und ich würde es gern wiedergutmachen, dass Sepp dir Angst eingejagt hat. Ich weiß auch nicht, was in meinen Freund gefahren ist. « Er verstummte, denn ihr leises Lächeln ließ sein Herz schneller schlagen.
» Na gut. Du kannst ja nichts dafür. Ich heiße Barbara Freisler, und du? «
Er folgte ihr durch die Gassen. » Sebastian Stäubling. «
Am Wollnertor angekommen, blieb er stehen. Ihre großen Augen waren auf ihn gerichtet, und plötzlich wusste er nicht mehr, wo er seine Hände lassen sollte. Ihr Haar glänzte im Schein der Fackeln, und es drängte ihn, es zu berühren, um herauszufinden, ob es so seidig war, wie es aussah. Auf ihrer Nase entdeckte er ein paar Sommersprossen. Barbara ließ seine Musterung über sich ergehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie konnte höchstens fünfzehn sein, wirkte aber durch die Ernsthaftigkeit, die sie ausstrahlte, ein wenig älter.
» Können wir endlich weitergehen? « , fragte sie grinsend und wies auf ein kleines Haus.
Schweigend legten sie auch die letzten Schritte zurück. Im ersten Geschoss brannte ein Talglicht.
» Ich werde jetzt verschwinden. Muss nicht sein, dass man mich hier sieht « , erklärte Sebastian und machte Anstalten zu gehen.
Sie hielt ihn zurück. » Danke, Sebastian. Du bist ein guter Mensch. «
Wenn du wüsstest, schönes Mädchen, dachte er, dass ich noch vor kurzem arglose Menschen bestohlen habe. Ob Gott ihm das jemals verzeihen würde? Er blickte ihr ins Gesicht, um sich ihre Züge einzuprägen, murmelte einen letzten Gruß und wandte sich zum Gehen.
KAPITEL 12
A nna ging gleich nach ihrer Ankunft in Nürnberg auf den Rathausplatz, um nach Martin Ausschau zu halten. Wenn sie mit ihm gesprochen hatte, wollte sie sich sogleich auf die Suche nach Sebastian begeben. Sie stellte sich in den Schatten zweier Kaufmannshäuser, denn nichts konnte sie weniger gebrauchen, als von Onkel Gerald entdeckt zu werden. Nicht immer stand er selbst auf dem Markt, hatte er sich doch auch um den Einkauf sowie viele andere Geschäftsangelegenheiten zu kümmern. Sie erinnerte sich an ein Gespräch, das sie einst über sein Geschäft geführt hatten. » Lass deine Marktweiber nie zu lange allein, die machen sonst nur Unfug « , hatte er gesagt.
Annas Herz klopfte schneller, als sie sich aus dem Schatten löste, den Hals reckte und den Blick über das fröhliche Marktgeschehen schweifen ließ. Doch rund um den goldverzierten Schönen Brunnen, in dessen Nähe Gerald Pfanner am Markttag neben einfachen Woll- und Leinenumhängen auch Decken und Hauben feilbot, war nichts von Martin zu entdecken. Dafür war die kräftige Gestalt des Onkels nicht zu übersehen, der gerade lautstark die besondere Qualität und Verarbeitung seiner Waren anpries. Ein junger Mann sowie eine ältere Frau halfen ihm beim Verkauf der Umhänge. Anna kannte sie nur flüchtig.
Sie huschte in ihr Versteck zurück und lehnte den Kopf gegen die kühle Wand eines der Häuser. Sie war sich so sicher gewesen, Martin hinter dem Stand des Gewandschneiders anzutreffen. Bestimmt hatte Onkel Gerald ihn gebeten, im Geschäft zu bleiben . Hastig schluckte sie die Tränen der Enttäuschung herunter, die ihr in die Augen schossen, und begab sich zu Pfanners Haus in der Findelgasse. Als ihr zwei Frauen entgegenkamen, wandte Anna das Gesicht ab, aber die beiden beachteten sie nicht. Kurz darauf setzte sie den Fuß auf die steinerne Schwelle von Gerald Pfanners Haus. Zögernd griff sie nach dem Türklopfer, schlug zweimal gegen das flache Eisen und lauschte auf sich nähernde Schritte. In der Diele rührte sich nichts. Wo konnte Martin nur stecken? Sie musste ihn finden, um wenigstens ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Wie überrascht er wäre, sie so unvermittelt vor sich zu sehen. Das Blut jagte ihr bei der Vorstellung schneller durch die Adern. Bald würde sie ihn wieder küssen. Gemeinsam würden sie schon einen Weg finden, um den Onkel umzustimmen. Anna schlich ums Haus, ging die Findelgasse auf und ab und achtete darauf, nicht erkannt zu werden.
Es wurde Nachmittag, aber von Martin war nichts zu erkennen. Anna schlang den viel zu großen Umhang enger um den Körper und überquerte die Pegnitz. Bis zur Schustergasse, in der sich Stöckls Werkstatt befand, war es ein ganzes Stück Weges zu gehen, und als sie sich vor der Eingangstür des Handwerkers wiederfand, wuchs ihre Erregung. Der Mann kannte sie zwar nicht, aber was war, wenn er Kunden in der Werkstatt
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