Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
Vom Netzwerk:
Rudaks Wellen türmten sich hinauf, Sariels Wolken senkten sich hinab und entfachten dabei Stürme, die so zornig wurden, dass sie alles Sterbliche dabei zerschmetterten. Am Ende trafen sie sich dennoch, halb Meer, halb Wolke, und zeugten in all dieser Leidenschaft ein Kind.
    Robert schüttelte verwundert den Kopf. Diese alte Sage war ihm lange nicht mehr in den Sinn gekommen. Großvater hatte sie geliebt, oft immer wieder mit seinen eigenen Interpretationen ausgeschmückt.
    Der Gottvater Odin selbst musste schließlich eingreifen, die Liebenden mit einem Bann trennen. Und damit sie einander nicht mehr fanden, um je wieder solches Unheil über die Schöpfung zu bringen, spann er zwei Labyrinthe zwischen ihnen, ein jedes so undurchdringbar wie das andere. Dort taumeln die beiden noch heute in den verwinkelten Gängen umher, suchen und suchen und finden einander nicht. Sie hören durch die Zeit die verzweifelten Rufe des anderen, doch ihre Herzen bleiben auf ewig getrennt.
    Kein Zauberer sollte fortan jemals mehr mit einem anderen sein Herz teilen. Odin beschloss es und die Menschen folgten dem Gott.
    Wenn Robert ehrlich zu sich war, dann hatte er niemals ernsthaft darüber nachgedacht, es war einfach so. Er konnte zaubern, das stimmte. Er sah die Dinge in einem anderen Licht, nein, sie waren so völlig anders als alles, was er war. Es galt, einen Weg hinaus zu finden. Das war der Grundsatz aller Magie: ›Finde einen Weg!‹
    Doch welchen? Jetzt in diesem Augenblick war er sich nicht länger sicher, ganz so, als wäre er von Großvater Lawrence und allem, was diesen ausmachte, getrennt. Er musste lachen. War er gar einer Odinstochter näher, als er es zugeben wollte? Ihm schwirrten die Gedanken.
    »Weil ich bin, was ich bin!«, resümierte er schließlich. Daran hatte er lange gefeilt. Dies war im Kern zwar zutreffend, dennoch war es von der Wahrheit so weit entfernt wie das Meer von den Wolken. Jetzt ging ihm diese Geschichte nicht mehr aus dem Kopf, fürchterlich. 
    Famke nickte, irgendwie. Sie nahm die Antwort ohne eine Regung hin.
    Robert sah sie an, ganz offen. Da war etwas in ihren Augen, das dort nicht hingehörte. Was war das? Abscheu? Berechnung? Faszination? Er klappte das Notizbuch zu, denn sie starrte nun auf seine Zeichnungen, als betrachte sie eine nicht wieder gutzumachende Tat. Doch bevor Robert seinem Eindruck Worte geben konnte, stand sie auf, rückte den Stuhl wieder an den Tisch.
    »Ich gehe dann jetzt auf meine Wache«, mehr sagte sie nicht, nahm den Helm, setzte ihn auf ihren blassen Schädel und ging zur Tür, die sie etwas lauter als sonst hinter sich schloss.
    Robert sah ihr nach, schüttelte verwundert den Gedanken fort und widmete sich wieder seinen Entwürfen. Noch lange saß er dort im Kerzenlicht, grübelte, verwarf, fügte Ideen hinzu oder strich sie frustriert mit kräftigen Federstrichen wieder aus. Wirklich klare Gedanken konnte er nicht mehr fassen. Es war, als sähe er etwas Verschwommenes vor sich, den Füller bereit über dem flügellosen Blatt. Doch dann verdurstete der Gedanke auf dem Weg von den Augen zu den Händen. Ärger loderte in ihm auf. Poe regte sich, aufgeschreckt von Roberts mieser Stimmung, bedachte ihn aber noch mit müden, vorwurfsvollen Augen, bevor er sich in wabernden Rauch verwandelte und dann in Richtung Uniformtasche davon huschte wie ein viel zu kleiner Kometenschweif.
     
    Wenn Robert eines in die Verzweiflung trieb, dann, dass er das vage Gefühl einer völligen Sinnlosigkeit in sich erspähte. Es war zwar noch außerhalb seiner Sinnesreichweite, aber er konnte es dennoch erahnen, wie ein nahendes Gewitter, wenn der Wind erstarb und die Bäume viel zu ruhig wurden. Seit Wochen war er unruhig, nicht bei der Sache. Dabei erwartete man von ihm Ergebnisse, handfeste, wenn möglich. Doch immer, wenn er in die Halle starrte, sah er nichts weiter als die Summe der Gedanken eines anderen.
    Man hatte ihm ein behagliches Büro in der Mitte der riesigen Halle eingerichtet, damit er alles rundum überwachen konnte. Zwanzig Arbeiter, eigens für ihn abgestellt, sollten eigentlich dastehen, ihre Mützen quetschen und darauf warten, dass er ihnen sagte, was sie tun sollten. Stattdessen lümmelten sie auf Holzbänken herum und schwatzten, weil der hohe Lord aus Britannien aber sowas von keine Ahnung hatte. Und der sollte die Brücke erfunden haben? Lachhaft.
    Also ließ Robert die Männer zum Schein arbeiten. Er bestellte zwei Läufer. Den einen ließ er in der Halle

Weitere Kostenlose Bücher