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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Pistole abgefeuert. Sie wandte den Kopf. Alle taten das.
    Und da stand Mrs Redbliss wie eine strenge, aber gerechte Göttin und hinter ihr der verharrende Heeresführer, Jagor. Mit einem verwirrten Stirnrunzeln um die Augen, die sagten: ›So war das aber nicht geplant!‹
    Fingermann brabbelte als Erster: »Ffie ffollte Magie legen! Ich ffwörs! Mit ihren befiffenen Haaren!» Anevay sah, wie er den weißen Ärmel seiner Wärteruniform über das Gesicht zog, stolz das verschmierte Blut darauf herzeigte. Seht ihr das? Das hat sie mir angetan. A ließ ihren Blick von der grauen Dame nach unten abschweifen und schaute in das noch immer erschrockene Gesicht des Mädchens, das weiterhin die Arme ausgestreckt hatte, als hielte es nach wie vor das Tablett mit der Apfelmusschale. Sie sah nicht auf das verschüttete Essen, sondern A an. Eine so plötzliche Wehmut erfüllte Anevay, dass sie innerlich laut aufstöhnte. Das Mädchen war blass bis auf die Knochen. Blondes, strohiges Haar wallte über ihre schmalen Schultern, die Wimpern und Brauen hell, die Haut der Finger waren weiß wie Papier. Das müde Gesicht so schmal, als würde es durch einen Türspalt blicken. Ein Gesicht, das am Ende des Weges war. Nur in den blauen Augen war ein Rest von Leben, das unter dem Eis noch immer zu strampeln schien. Anevay wurde so schlagartig klar, dass sie wirklich hier war und nirgendwo anders, dass sie ihren Vater nicht mehr würde berühren dürfen, sein Duft, der in der Halsbeuge so sehr nach Wind gerochen hatte, ging endgültig fort. Sein langes, schwarzes Haar, es wurde grau vor ihren Augen. Zerfiel wie Staub. Grauer Staub, der Gesichter müde machte.
    »Ich sagte doch, dass das Mädchen in die Gemeinschaftszellen gebracht werden soll.« Mrs Redbliss trat einen Schritt die kurze Treppe hinunter. Erst jetzt nahm Anevay den Raum um sich herum wahr. Er wirkte wie ein riesiger Keller. Gemauerte, eckige Ziegelsäulen trugen die verputzte, weißgewölbte Decke, durch die noch immer verblasste Malereien schimmerten, die aber nur noch fahle, farbige Schatten waren. Sie hatte in den Büchern gesehen, wie die ersten Christen ihre Heiligen in solchen Gewölben aufbewahrten, das hier war so ein Ort - nur ohne die Heiligen. Die Treppe, die Mrs Redbliss jetzt hinunter schritt, führte in ihrem Rücken zu einer zweiflügeligen Tür, die aussah, als könne sie einem Rammbock standhalten. Es waren Tische in dem Raum verteilt, die keinem Muster folgten. Alle Gegenstände waren aus Glas. Selbst hier. Salzlampen, die an langen, gekordelten Schnüren hingen, bildeten Lichtinseln auf dem dunklen Glas, tauchten alles in ein langgezogenes, bronzenes Leuchten.
    Die Absätze knallten durch die Luft, ihr graues Kostüm starr wie eine Rüstung. A blickte zu dem Mädchen, das die Arme nun fest an ihre Seite gepresst hatte, den Blick niedergeschlagen. Sie sah aus, als wolle sie sich in sich selbst verstecken. Fingermann stand hinter ihr. Unschlüssig. Wartend. Eine rosa Rotzblase blubberte bei jedem Atemzug aus dem rechten Nasenflügel. In seinen Augen stand Versagen und wilder Trotz. Er kniff immer wieder in seine Hosentasche, knetete sie wie einen Glücksbringer, während Mrs Redbliss den Speisesaal durchquerte und vor Anevay stehen blieb. Alles an ihr war geometrisch. So exakt, so vollendet.
    »Es tut mir leid, Anevay. Anscheinend hat man während meiner Abwesenheit nicht nach meinen ausdrücklichen Anweisungen gehandelt.« Ihre Augen warfen einen kurzen, vernichtenden Strahl auf Fingermann, verwandelten sich wieder, und sahen A so mitfühlend an wie eine Mutter ihr verängstigtes Rehkitz.
    »Die Einzelhaft, nun ja, ich musste sicher sein, dass du keine Magie in dir hast, das versteht du doch sicher, oder?«
    Anevay wollte Ja sagen, sie wollte in diesem fürsorglichen Blick Hinterhalte erkennen, alle anlügen, schlagen, sie wollte noch immer raus, raus, raus. Und sie wollte das blasse Mädchen neben sich mitnehmen. Doch dann geschah etwas in ihrem Innern. Ein Makel wuchs heran.
    »Da du jedoch keinerlei Anzeichen für einen Zyklus erkennen lässt, habe ich entschieden, dass du in die Gemeinschaftszellen wechseln kannst.«
    A spürte sich fast Danke sagen. Doch wofür? Dafür, dass man sie in einem anderen Zimmer einsperren würde? Die gleichen Gitter, nur in einem anderen Raum? Es war lächerlich und für einen Moment war beiden diese Erkenntnis so klar, wie Wasser in einem Fluss zu finden ist.
    »Ffieifft eine Ffauberin!?» Fingermann. Er hielt die erbeuteten

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