Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
an.«
CATELYN
Tausend Jahre schien es Catelyn Stark her zu sein, dass sie ihren kleinen Sohn aus Schnellwasser mitgenommen und den Trommelstein in einem kleinen Boot überquert hatte, um die Reise gen Norden nach Winterfell anzutreten. Und auch jetzt war es der Trommelstein, über den sie heimkehrte, wobei der Junge Rüstung und Kettenhemd trug und keine Windeln mehr.
Robb saß im Bug mit Grauwind, seine Hände ruhten auf dem Kopf des Schattenwolfes, während die Ruderer an ihren Riemen rissen. Theon Graufreud war bei ihm. Ihr Onkel Brynden wollte im zweiten Boot nachkommen, mit dem Großjon und Lord Karstark.
Catelyn suchte sich einen Platz am Heck. Sie schossen den Trommelstein hinab, ließen sich von der starken Strömung am hoch aufragenden Räderturm vorübertreiben. Das Platschen und Rumpeln des großen Wasserrades, das sich darin drehte, war ein Geräusch aus ihrer Kindheit, das ein trauriges Lächeln auf Catelyns Miene brachte. Von den Sandsteinmauern der Burg aus riefen Soldaten und Diener ihren Namen herab, und auch Robbs und »Winterfell!«. Von jeder Brustwehr wehte das Banner des Hauses Tully: eine springende Forelle, silber, vor einem gewellten, blauroten Grund. Es war ein bewegender Anblick, doch wollte ihr das Herz nicht leichter werden. Sie fragte sich, ob ihr das Herz eigentlich jemals wieder leichter werden würde. Oh, Ned …
Unter dem Räderturm beschrieben sie eine weite Wende und stießen durch das schäumende Wasser. Die Männer legten sich ins Zeug. Der weite Bogen des Wassertores war zu sehen, und sie hörte das Knarren schwerer Ketten, als das große, eiserne Falltor hochgezogen wurde. Langsam hob es sich, indem sie näher kamen, und Catelyn sah, dass die untere Hälfte rot vom Rost war. Brauner Schlamm tropfte auf sie herab, während sie darunter hindurchfuhren, die stachelbesetzten Spieße nur eine Handbreit über ihnen. Catelyn sah zu den Gitterstäben auf und fragte sich, wie tief der Rost ging und wie gut das Falltor einer Ramme würde standhalten können und ob es erneuert werden musste. Gedanken wie dieser gingen ihr in letzter Zeit öfter durch den Kopf.
Sie kamen unter dem Bogen und unter den Mauern hindurch, fuhren vom Sonnenlicht in Schatten und wieder ins Sonnenlicht. Überall um sie herum lagen große und kleine Boote vertäut, an Eisenringen im Stein gesichert. Die Garde ihres Vaters wartete mit ihrem Bruder an der Wassertreppe. Ser Edmure Tully war ein stämmiger, junger Mann mit einem zottigen Schopf kastanienbraunen Haares und einem feuerroten Bart. Sein Brustpanzer war zerkratzt und von der Schlacht zerbeult, sein blau-roter Umhang mit Blut und Rauch befleckt. Neben ihm stand Lord Tytos Schwarzhain, ein harter Hecht von einem Mann, mit kurz geschorenem, meliertem Backenbart und einer Hakennase. Seine hellgelbe Rüstung war mit Gagat in feinen Mustern von Reben und Blättern verziert, und ein Umhang aus Rabenfedern lag um seine schmalen Schultern. Lord Tytos hatte den Ausfall geführt, mit dem ihr Bruder aus der Zange der Lennisters befreit worden war.
»Holt sie herein«, befahl Ser Edmure. Drei Männer stiegen die Treppe hinab, knietief ins Wasser, und zogen das Boot mit langen Haken heran. Als Grauwind heraussprang,
ließ einer von ihnen seine Stange fallen und wich zurück, stolperte und setzte sich abrupt in den Fluss. Die anderen lachten, und der Mann machte ein dummes Gesicht. Theon Graufreud sprang über den Rand des Bootes, hob Catelyn an der Hüfte heraus und stellte sie auf eine trockene Stufe über sich, während das Wasser um seine Stiefel schwappte.
Edmure kam die Treppe herab, um sie zu umarmen. »Süße Schwester«, murmelte er heiser. Er hatte dunkelblaue Augen und einen Mund, der zum Lächeln wie geschaffen war, doch lächelte er nicht. Er wirkte hager und müde, gebeutelt von der Schlacht, ausgezehrt von Sorge. Sein Hals war bandagiert, wo er verwundet worden war. Catelyn umarmte ihn innig.
»Deine Trauer ist die meine, Cat«, sagte er, als sie sich voneinander lösten. »Als wir von Eddard gehört haben … die Lennisters werden dafür bezahlen, ich schwöre es, du wirst deine Rache bekommen.«
»Wird es mir Ned wiederbringen?«, fragte sie scharf. Die Wunde war noch zu frisch für mildere Worte. Sie konnte jetzt nicht an Ned denken. Sie wollte nicht. Es durfte nicht sein. Sie musste stark bleiben. »All das kann warten. Ich muss mit Vater sprechen.«
»Er erwartet dich in seinem Solar«, sagte Edmure.
»Lord Hoster ist ans Bett gefesselt,
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