Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
könntet ihm aufhelfen und ihm sagen, wie gut er geritten ist.« Sansa vermochte ihre Zunge nicht im Zaum zu halten.
»Er ist vom Pferd geworfen worden und im Dreck gelandet«, wandte der König ein. »Das verstehe ich nicht gerade unter ›gut geritten‹.«
»Seht«, unterbrach ihn der Bluthund. »Der Junge hat Mut. Er versucht es noch einmal.«
Sie halfen Prinz Tommen, abermals aufzusteigen. Wenn doch nur Tommen an Joffreys statt der Ältere wäre , dachte Sansa. Ihn würde ich gern heiraten.
In diesem Augenblick wurden sie von dem Lärm überrascht, der vom Torhaus herüberhallte. Ketten rasselten, als das Fallgitter hochgezogen wurde, und unter dem Quietschen der eisernen Angeln öffnete sich das Tor. »Wer hat ihnen erlaubt, das Tor zu öffnen?«, wollte Joff wissen. Angesichts der Unruhen in der Stadt waren die Tore des Roten Bergfrieds seit Tagen geschlossen.
Eine Kolonne Reiter kam, von Hufschlag und stählernem Klirren begleitet, unter dem Fallgatter hervor. Clegane trat dicht an den König heran und legte eine Hand auf den Griff seines Langschwerts. Die Besucher waren reichlich mitgenommen, ausgezehrt und staubig, und dennoch trugen sie als Standarte den Löwen der Lennisters – golden prangte er auf purpurrotem Feld. Einige waren in rote Umhänge gekleidet und hatten Kettenhemden angelegt, wie sie bei den Soldaten der Lennisters üblich waren, doch die meisten waren freie Ritter und Söldner, deren Rüstungen aus Einzelstücken bestanden und die von scharfem Stahl starrten … und dann waren da noch andere, riesige Wilde aus den Ammenmärchen, die Bran so gern gehört hatte. Diese Männer trugen schäbige Felle und gegerbtes Leder, langes Haar und verfilzte Bärte. Manche hatten den Kopf oder die Hände mit blutgefleckten Verbänden verbunden, während anderen Augen, Ohren oder Finger fehlten.
In ihrer Mitte ritt auf einem großen Rotfuchs in einem eigentümlich hohen Sattel, der ihn von vorn bis hinten umschloss, der zwergenwüchsige Bruder der Königin, Tyrion Lennister, den man überall den Gnom nannte. Er hatte sich einen Bart stehen lassen, um sein eingedrücktes Gesicht zu verhüllen, der zu einem gelben und schwarzen Wirrwarr aus drahtigen Haaren herangewachsen war. Über seinen Rücken hing ein Mantel aus schwarzem Pelz, der mit weißen Streifen
durchsetzt war. Er hielt die Zügel in der Linken und trug den rechten Arm in einer weißen Schlinge, ansonsten wirkte er noch immer so grotesk, wie Sansa ihn von seinem Besuch auf Winterfell in Erinnerung hatte. Seine vorgewölbte Stirn und seine ungleichen Augen machten ihn zum hässlichsten Mann, den sie je gesehen hatte.
Tommen gab seinem Pony trotzdem die Sporen und galoppierte unter Freudengeschrei über den Hof. Einer der Wilden, ein großer, ungeschlachter Mann, dessen Gesicht so behaart war, das die untere Hälfte vollständig hinter dem Bart verschwand, packte den Jungen, riss ihn aus dem Sattel und stellte ihn neben seinem Onkel auf den Boden. Tommens atemloses Lachen hallte von den Mauern wider, und Tyrion klopfte ihm auf die gepanzerten Schultern. Überrascht sah Sansa, dass die beiden gleich groß waren. Myrcella rannte ihrem Bruder hinterher, und der Zwerg hob sie in die Höhe und wirbelte das kreischende Mädchen im Kreis.
Nachdem der kleine Mann sie wieder abgesetzt hatte, drückte er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und watschelte über den Hof auf Joffrey zu. Zwei seiner Männer folgten ihm dichtauf – ein schwarzhaariger, schwarzäugiger Söldner mit katzenhaften Bewegungen und ein hagerer junger Mann mit einer leeren Augenhöhle. Tommen und Myrcella trotteten hinter ihnen her.
Der Zwerg beugte ein Knie vor dem König. »Euer Gnaden. «
»Ihr«, sagte Joffrey.
»Ich«, bestätigte der Gnom, »obwohl ein höflicherer Gruß angebracht wäre, wo ich doch zum einen Euer Onkel und zum anderen der Ältere bin.«
»Man sagte, Ihr wäret tot«, warf der Bluthund ein.
Der kleine Mann warf dem Größeren einen Blick zu. Eines seiner Augen war grün, das andere schwarz, aber beide hatten dieselbe Kälte gemeinsam. »Ich habe mit dem König geredet, nicht mit seinem Köter.«
» Ich bin froh, dass Ihr nicht tot seid«, verkündete Prinzessin Myrcella.
»Darin sind wir uns gewiss einig, süßes Kind.« Tyrion wandte sich an Sansa. »Mylady, mein Beileid angesichts Eurer schweren Verluste. Den Göttern mangelt es wahrlich nicht an Grausamkeit.«
Sansa fiel keine Erwiderung ein. Wie konnten ihm ihre Verluste leid tun?
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