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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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seinem Fenster aus unglücklich zusah. Abends zog er sich mit Maester Luwin zurück, zum Gespräch oder um die Rechnungsbücher durchzugehen. Manchmal ritt er mit Hallis Mollen aus und war tagelang fort, besuchte ferne Festungsanlagen.
Immer wenn er länger als einen Tag fort war, weinte Rickon und fragte Bran, ob Robb je wiederkommen würde. Selbst wenn er zu Hause war, schien Robb, der Lord, stets mehr Zeit für Hallis Mollen und Theon Graufreud als für seine Brüder zu haben.
    »Ich könnte dir die Geschichte von Brandon, dem Erbauer, erzählen«, sagte die Alte Nan. »Das war immer deine liebste. «
    Vor Tausenden und Abertausenden von Jahren hatte Brandon der Erbauer Winterfell errichtet, und wie manche sagten, auch die Mauer. Manchmal sprach die Alte Nan von ihm, als wäre er ihr Brandon, der Säugling, den sie vor so vielen Jahren gepflegt hatte, und manchmal verwechselte sie ihn mit seinem Onkel Brandon, den der Irre König erschlagen hatte, bevor Bran auch nur geboren war. Sie lebte schon so lange, Mutter hatte ihm einmal erzählt, dass alle Brandon Starks in ihrem Kopf zu ein und derselben Person geworden seien.
    »Das ist nicht meine Lieblingsgeschichte«, sagte er. »Am liebsten sind mir die unheimlichen.« Er hörte eine Art Tumult vor dem Fenster und wandte sich nach draußen. Rickon rannte über den Hof zum Wachhaus, und die Wölfe folgten ihm, doch das Turmzimmer lag in der falschen Richtung, deshalb konnte Bran nicht sehen, was vor sich ging. Vor Enttäuschung schlug er sich mit der Faust auf den Oberschenkel und spürte nichts.
    »Oh, mein süßes Sommerkind«, sagte die Alte Nan leise, »was weißt du schon von der Angst? Die Angst gehört dem Winter, mein kleiner Lord, wenn der Schnee hundert Fuß hoch liegt und der Eiswind aus dem Norden heult. Angst gehört der langen Nacht, wenn die Sonne über Jahre ihr Gesicht verbirgt und kleine Kinder in Finsternis geboren werden und leben und sterben, während die Schattenwölfe ausgezehrt und hungrig werden und die Weißen Wanderer durch die Wälder streifen.«
    »Du meinst die Anderen«, sagte Bran nörgelnd.
    »Die Anderen«, stimmte die Alte Nan ihm zu. »Vor Tausenden
und Abertausenden von Jahren gab es einen Winter, der kälter und härter und länger war als alles, was es seit Menschengedenken gegeben hat. Es kam eine Nacht, die eine Generation lang dauerte, und Könige zitterten und starben auf ihren Burgen ebenso wie die Schweinehirten in ihren Ställen. Mütter erstickten ihre Kinder lieber, als dass sie diese verhungern ließen, und sie weinten und fühlten, wie die Tränen auf ihren Wangen gefroren.« Ihre Stimme und die Nadeln schwiegen, und mit blassen, glänzenden Augen sah sie zu Bran auf und fragte: »Nun, Kind. Ist das die Art von Geschichte, die dir gefällt?«
    »Nun«, sagte Bran zögerlich, »ja, nur …«
    Die Alte Nan nickte. »In dieser Finsternis kamen die Anderen zum ersten Mal«, erzählte sie, während ihre Nadeln klick klick klick machten. »Sie waren kalte Dinger, tote Dinger, die Eisen und Feuer und die Sonne hassten, und außerdem jedes Wesen mit warmem Blut in den Adern. Sie fielen über Burgen und Städte und Königreiche her, erschlugen zahllose Helden und Armeen, ritten ihre bleichen, toten Pferde und führten Heerscharen von Erschlagenen an. Alle Schwerter der Menschen konnten ihrem Ansturm nicht standhalten, und selbst mit Jungfern und Säuglingen hatten sie kein Mitleid. Sie jagten die Jungfern durch erfrorene Wälder und fütterten ihre toten Diener mit dem Fleisch toter Kinder.«
    Ihre Stimme war ganz leise geworden, fast schon ein Flüstern, und Bran merkte, wie er sich vorbeugte, um sie verstehen zu können.
    »Nun waren es die Zeiten, bevor die Andalen kamen, und lange bevor die Frauen aus den Städten der Rhoyne über die Meerenge flohen, und die hundert Königreiche jener Zeit waren die Königreiche der Ersten Menschen, die den Kindern des Waldes das Land genommen hatten. Doch hier und da lebten die Kinder noch immer im Wald, verborgen in ihren hölzernen Städten und den hohlen Hügeln, und die Gesichter der Bäume hielten Wacht. Als nun Kälte und Tod die Erde erfüllten, beschloss der letzte Held, die Kinder aufzusuchen,
in der Hoffnung, dass ihre uralten Zauberkünste zurückgewinnen könnten, was die Armeen der Menschen verloren hatten. Er machte sich auf ins tote Land, mit einem Schwert, einem Pferd, einem Hund und einem Dutzend Gefährten. Jahrelang suchte er, bis er daran zweifelte, die Kinder des

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