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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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Tränen fort, bevor sie über seine Wangen kullerten. Sein achter Namenstag war schon gewesen. Fast war er nun ein Mann, zu alt zum Weinen.
    »Es war nur eine Lüge«, sagte er verbittert, als er an die Krähe in seinem Traum denken musste. »Ich kann nicht fliegen. Ich kann nicht mal gehen.«
    »Krähen sind allesamt Lügner«, gab die Alte Nan ihm von ihrem Stuhl aus Recht, auf dem sie mit ihren Handarbeiten saß. »Ich kenne eine Geschichte über eine Krähe.«
    »Ich will keine Geschichten mehr hören«, fuhr Bran sie mit gereizter Stimme an. Früher hatte er die Alte Nan und ihre
Geschichten gemocht. Doch jetzt war es etwas anderes. Jetzt ließ man sie den ganzen Tag bei ihm, damit sie auf ihn achtete und ihn säuberte und damit er nicht so allein war, doch machte sie alles nur noch schlimmer. »Ich hasse deine dummen Geschichten.«
    Zahnlos lächelte die alte Frau ihn an. »Meine Geschichten? Nein, mein kleiner Lord, nicht meine. Die Geschichten sind einfach da, vor mir und nach mir und auch vor dir.«
    Sie war eine sehr hässliche alte Frau, dachte Bran verächtlich, ausgezehrt und faltig, fast blind, zu schwach zum Treppensteigen, mit nur ein paar Büscheln von weißem Haar auf ihrem fleckig rosafarbenen Schädel. Niemand wusste, wie alt sie wirklich war, doch sein Vater sagte, man habe sie bereits die Alte Nan genannt, als er noch ein Junge war. Ganz sicher war sie der älteste Mensch auf Winterfell, vielleicht der älteste der Sieben Königslande. Nan war als Amme für einen Brandon Stark nach Winterfell gekommen, dessen Mutter bei seiner Geburt gestorben war. Er war der ältere Bruder von Lord Rickard, Brans Großvater, gewesen oder vielleicht auch ein jüngerer Bruder oder ein Bruder von Lord Rickards Vater. Manchmal erzählte die Alte Nan es auf die eine und manchmal auf die andere Weise. In allen Geschichten war der kleine Junge mit drei Jahren an einer Sommergrippe gestorben, doch die Alte Nan blieb hernach mit ihren eigenen Kindern auf Winterfell. Sie hatte beide Söhne im Krieg verloren, als König Robert den Thron bestieg, und ihr Enkel starb während Balon Graufreuds Rebellion auf den Mauern von Peik. Ihre Töchter waren lange schon verheiratet und fortgezogen und gestorben. Geblieben war von ihren Blutsverwandten nur noch Hodor, der einfältige Riese, der im Stall arbeitete, doch die Alte Nan lebte immer noch, strickte und häkelte und erzählte ihre Geschichten.
    »Es ist mir egal, wessen Geschichten es sind«, erklärte Bran. »Ich hasse sie.« Er wollte keine Geschichten mehr hören, und er wollte auch die Alte Nan nicht mehr ertragen. Er wollte seine Mutter und seinen Vater. Er wollte rennen, mit
Sommer an seiner Seite. Er wollte auf die Turmruine klettern und die Krähen füttern. Er wollte mit seinen Brüdern wieder Ponyreiten. Er wollte, dass es wieder wurde, wie es einmal gewesen war.
    »Ich kenne eine Geschichte von einem Jungen, der Geschichten hasste«, sagte die Alte Nan mit ihrem dämlichen, leisen Lächeln, während ihre Nadeln ständig klapperten, klick klick klick , bis Bran sie hätte anschreien können.
    Nie mehr würde es sein, wie es gewesen war, das wusste er. Die Krähe hatte ihn zum Fliegen verleitet, doch als er aufwachte, war er zerschmettert, und seine Welt hatte sich verändert. Alle hatten ihn verlassen, sein Vater und seine Mutter und seine Schwestern und selbst sein Bastardbruder Jon. Sein Vater hatte ihm versprochen, er würde auf einem echten Pferd nach Königsmund reiten, doch waren sie ohne ihn fortgegangen. Maester Luwin hatte Lord Eddard einen Vogel mit einer Botschaft nachgesandt, einen weiteren seiner Mutter und einen dritten Jon auf der Mauer, doch war bisher keine Antwort gekommen. »Oftmals verirren sich die Vögel, Kind«, hatte der Maester ihm erklärt. »Es gibt so manche Meile und so manchen Falken zwischen hier und Königsmund. « Doch kam es Bran vor, als wären alle gestorben, während er geschlafen hatte … oder vielleicht war Bran gestorben, und alle hatten ihn vergessen. Auch Jory und Ser Rodrik und Vayon Pool waren fort, und Hullen und Harwin und der dicke Tom und ein Viertel der Garde.
    Nur Robb und der kleine Rickon waren noch da, und Robb hatte sich verändert. Jetzt war er Robb, der Lord, oder zumindest gab er sich alle Mühe, es zu sein. Er trug ein echtes Schwert und lächelte nie. Seine Tage verbrachte er damit, die Garde zu drillen und sich im Schwertkampf zu üben, wobei er den Hof vom Klang des Stahls erzittern ließ, während Bran von

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