Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
blieb dicht hinter ihnen. Sein Bruder war kräftig für sein Alter und Bran leicht wie ein Lumpenbündel, doch die Treppe war steil und dunkel, und Robb atmete schwer, als sie oben ankamen.
Er brachte Bran ins Bett, wickelte ihn in Decken und blies die Kerze aus. Eine Zeit lang saß Robb neben ihm im Dunkeln. Bran wollte gern mit ihm sprechen, doch wusste er nicht, was er sagen sollte. »Wir werden ein Pferd für dich finden, das verspreche ich dir«, flüsterte Robb schließlich.
»Werden sie je wiederkommen?«, fragte Bran.
»Ja«, antwortete Robb mit solcher Hoffnung in der Stimme, dass Bran wusste, er hörte seinen Bruder und nicht nur Robb, den Lord. »Mutter wird bald wieder hier sein. Vielleicht können wir ihr entgegenreiten. Ob es sie wohl überraschen würde, dich auf einem Pferd zu sehen?« Selbst im dunklen Zimmer konnte Bran das Lächeln seines Bruders spüren. »Und danach reiten wir gen Norden, um uns die
Mauer anzusehen. Wir erzählen Jon gar nicht, dass wir kommen, eines Tages sind wir einfach da, du und ich. Das wird ein Abenteuer.«
»Ein Abenteuer«, wiederholte Bran wehmütig. Er hörte, wie sein Bruder schluchzte. Das Zimmer war so dunkel, dass er die Tränen auf Robbs Gesicht nicht sehen konnte, also tastete er nach seiner Hand. Ihre Finger schlangen sich ineinander.
EDDARD
»Lord Arryns Tod hat große Trauer über uns gebracht, Mylord«, sagte Groß-Maester Pycelle. »Ich wäre mehr als glücklich, Euch alles sagen zu können, was ich über die Art und Weise seines Dahinscheidens weiß. Nehmt doch Platz. Ist Euch nach Erfrischungen zu Mute? Ein paar Datteln vielleicht? Ich hätte auch Persimonen. Wein bekommt meiner Verdauung nicht mehr, wie ich fürchte, aber ich kann Euch ein Glas Milch anbieten, mit Honig gesüßt. Das finde ich bei dieser Hitze sehr erfrischend.«
Die Hitze war nicht zu leugnen. Ned spürte, wie das seidene Gewand an seiner Brust klebte. Dicke, feuchte Luft lag über der Stadt wie eine nasse Wolldecke, und am Ufer war es unruhig geworden, nachdem die Armen dem heißen, drückenden Straßengewirr entflohen waren und sich um Schlafplätze in der Nähe des Wassers drängten, wo noch ein leichter Wind wehte. »Das wäre sehr aufmerksam«, sagte Ned und setzte sich.
Mit Daumen und Zeigefinger hob Pycelle ein winziges Silberglöckchen und läutete leise. Eine schlanke, junge Dienstmagd eilte in den Solar. »Kalte Milch für die Rechte Hand des Königs und mich, wenn du so freundlich wärst, Kind. Gut gesüßt.«
Als das Mädchen ging, um ihre Getränke zu holen, faltete der Groß-Maester seine Finger ineinander und ließ die Hände auf dem Bauch ruhen. »Das gemeine Volk sagt, das letzte Jahr des Sommers sei stets das heißeste. So ist es nicht, doch manchmal fühlt es sich so an, nicht wahr? An Tagen wie diesem beneide ich Euch Nordländer um Euren Sommerschnee.
« Die schwere, juwelenbesetzte Kette um den Hals des alten Mannes klirrte leise, als er auf seinem Stuhl herumrutschte. »Ganz sicher war König Maekars Sommer heißer als dieser, und beinahe so lang. Es gab Narren, selbst in der Citadel, die es als Zeichen dafür nahmen, dass der Große Sommer endlich gekommen sei, der Sommer ohne Ende, doch im siebten Jahr brach er plötzlich ab, und wir hatten einen kurzen Herbst und einen schrecklich langen Winter. Dennoch war die Hitze furchtbar, solange sie anhielt. Altsass dampfte, war bei Tage in der Hitze wie ausgestorben und wurde erst am Abend lebendig. Wir spazierten durch die Gärten am Fluss und stritten über die Götter. Ich erinnere mich an die Gerüche dieser Nächte, Mylord … duftend und süß, Melonen zum Platzen reif, Pfirsiche und Granatäpfel, Nachtschatten und Mondblüter. Damals war ich ein junger Mann und schmiedete noch an meiner Kette. Die Hitze hat mich damals nicht so sehr erschöpft wie heute.« Pycelles Augenlider waren so schwer, dass es aussah, als schliefe er halb. »Verzeiht mir, Lord Eddard. Ihr seid nicht gekommen, um den verschlungenen Pfaden meiner närrischen Gedanken zu einem Sommer zu folgen, der schon vergessen war, bevor Euer Vater geboren wurde. Seid so gut und verzeiht einem alten Mann seine Abschweifungen. Der Verstand ist wie ein Schwert, so fürchte ich. Die alten rosten. Ah, und hier kommt unsere Milch.« Das Mädchen stellte das Tablett zwischen die beiden Männer, und Pycelle warf ihr ein Lächeln zu. »Süßes Kind.« Er hob einen Becher, kostete, nickte. »Danke sehr. Du darfst gehen.«
Als das Mädchen fort war,
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