Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
seinen Aufstieg. Ihre Augen glühten rot wie heiße Kohlen auf einem Rost. Vielleicht waren sie einst Löwen gewesen, doch nun waren sie entstellt und grotesk. Bran konnte hören, wie sie mit grässlichen, steinernen Stimmen flüsterten. Er durfte nicht darauf hören, sagte er sich, er durfte nicht darauf hören, solange er nicht darauf hörte, war er in Sicherheit. Doch als die Wasserspeier sich vom Stein lösten und zur Turmseite tappten, an die Bran sich klammerte, wusste er, dass er doch nicht in Sicherheit war. »Ich habe nichts gehört«, weinte er, als sie immer näher kamen, »hab ich nicht, hab ich nicht.«
Keuchend erwachte er, verloren in der Dunkelheit, und er sah einen mächtigen Schatten über sich. »Ich habe nichts gehört«, flüsterte er, zitternd vor Angst, doch dann sagte der Schatten: »Hodor« und zündete eine Kerze am Bett an, und Bran seufzte vor Erleichterung.
Hodor wusch ihm den Schweiß mit einem warmen, feuchten Lappen ab und kleidete ihn mit flinken und sanften Händen an. Als es Zeit wurde, trug er ihn in die Große Halle hinunter, wo man nahe des Feuers einen großen Tisch aufgestellt hatte. Den Platz des Lords am Kopfende des Tisches hatte man leer gelassen, doch Robb saß rechts davon und Bran ihm gegenüber. An jenem Abend aßen sie Ferkel und Taubenpastete und weiße Rüben in Butter, und danach hatte der Koch Honigwaben versprochen. Sommer fraß Tafelreste aus Brans Hand, während Grauwind und Struppel in der Ecke um einen Knochen stritten. Winterfells Hunde wagten sich jetzt nicht mal in die Nähe der Großen Halle. Anfangs hatte Bran es noch seltsam gefunden, doch gewöhnte er sich daran.
Yoren war der älteste unter den schwarzen Brüdern, daher hatte der Haushofmeister ihn zwischen Robb und Maester Luwin gesetzt. Von dem alten Mann ging ein säuerlicher Geruch aus, als hätte er sich seit langem nicht gewaschen. Er riss mit den Zähnen am Fleisch herum, brach die Rippen auf, um das Mark aus den Knochen zu saugen, und zuckte auf die Frage nach Jon Schnee nur mit den Schultern. »Ser Allisars Fluch«, brummte er, und zwei seiner Gefährten lachten laut, was Bran nicht verstand. Doch als Robb nach Neuigkeiten über ihren Onkel Benjen fragte, wurden die schwarzen Brüder seltsam still.
»Was ist mit ihm?«, fragte Bran.
Yoren wischte seine Hände an der Weste ab. »Das sind traurige Neuigkeiten, Mylords, und eine grausame Art und Weise, für Euer Fleisch und Euren Met zu zahlen, doch wer die Fragen stellt, muss auch die Antworten ertragen können. Stark ist verschwunden.«
Einer der anderen Männer sagte: »Der alte Bär hat ihn auf die Suche nach Ser Weymar Rois geschickt, und nun ist er lange schon überfällig, Mylord.«
»Zu lange«, fügte Yoren hinzu. »Höchstwahrscheinlich ist er tot.«
»Mein Onkel ist nicht tot«, erhob Robb Stark die Stimme laut und voller Zorn dagegen. Er stand von der Bank auf und legte die Hand an das Heft seines Schwertes. »Hört Ihr mich? Mein Onkel ist nicht tot! « Seine Stimme hallte von den steinernen Mauern zurück, und plötzlich fürchtete sich Bran.
Der alte, säuerlich riechende Yoren sah zu Robb auf, unbeeindruckt. »Was immer Ihr sagt, Mylord«, erwiderte er. Er lutschte an einem Stück Fleisch zwischen seinen Zähnen herum.
Der jüngste der schwarzen Brüder rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Es gibt niemanden auf der Mauer, der den Verfluchten Wald besser kennt als Benjen Stark. Er wird den Weg zurück schon finden.«
»Na ja«, sagte Yoren, »vielleicht findet er ihn, vielleicht
aber auch nicht. Schon früher sind gute Männer in diese Wälder gegangen und nie zurückgekehrt.«
Bran konnte nur noch an die Geschichte der Alten Nan von den Anderen und dem letzten Helden denken, der von Toten und Spinnen, die groß wie Hunde waren, durch die weißen Wälder gejagt wurde. Einen Moment lang fürchtete er sich, bis ihm einfiel, wie die Geschichte endete. »Die Kinder werden ihm helfen«, platzte er heraus, »die Kinder des Waldes!«
Theon Graufreud kicherte, und Maester Luwin sagte: »Bran, die Kinder des Waldes sind seit Tausenden von Jahren tot und begraben. Geblieben sind von ihnen nur die Gesichter an den Bäumen.«
»Hier unten mag das stimmen, Maester«, warf Yoren ein, »aber jenseits der Mauer, wer kann es da schon wissen? Da oben kann man nie so recht sagen, was lebt und was tot ist.«
An diesem Abend, als alle Teller abgeräumt waren, trug Robb selbst Bran ins Bett. Grauwind ging voraus, und Sommer
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