Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
zweiter Gegner, oh, das war eine hübsche Angelegenheit. Das hast du doch gesehen, nicht? Der dumme Junge hatte hier nichts zu suchen. Kein Geld, kein Knappe, keiner, der ihm in die Rüstung half. Diese Halsberge war nicht ordentlich befestigt. Meinst du, Gregor hätte das nicht bemerkt? Du meinst, Ser Gregors Lanze sei versehentlich hochgerutscht, nicht? Hübsches, kleines, sprechendes Mädchen, wenn du das glaubst, dann bist du wahrlich hirnlos wie ein Vogel. Gregors Lanze trifft dort, wo Gregor treffen will. Sieh mich an. Sieh mich an!« Sandor Clegane setzte seine riesige Hand unter ihr Kinn und zwang ihr Gesicht nach oben. Er kauerte vor ihr und brachte die Fackel näher heran. »Hier ist was Hübsches für dich. Sieh es dir gut und
lange an. Du weißt, dass du es möchtest. Ich habe gesehen, wie du dich auf dem ganzen Weg den Königsweg entlang abgewandt hast. Sieh es dir nur an.«
Seine Finger hielten ihr Kinn so fest wie eine Eisenfalle. Seine Augen beobachteten die ihren. Trunkene Augen, düster vor Zorn. Sie musste hinsehen.
Die rechte Seite seines Gesichts war ausgemergelt, mit scharfen Wangenknochen und einem grauen Auge unter schwerer Braue. Seine Nase war groß und krumm, sein Haar dünn und dunkel. Er trug es lang und kämmte es seitwärts, denn auf der anderen Seite dieses Gesichts wuchs kein Haar.
Die linke Gesichtshälfte war eine Ruine. Sein Ohr war weggebrannt, dort war nur mehr ein Loch. Sein Auge war noch gut, doch drum herum fand sich nur ein entstellender Wust von Narben, glattem, schwarzem Fleisch, so hart wie Leder, von Kratern übersät und durchzogen von tiefen Rissen, die rot und feucht glänzten, wenn er sich bewegte. Unten an seinem Kinn sah man eine Andeutung von Knochen, wo das Fleisch versengt war.
Sansa fing zu weinen an. Da ließ er sie los und drückte die Fackel im Dreck aus. »Keine hübschen Worte dafür, Mädchen? Keine kleinen Komplimente, die dich die Septa gelehrt hat?« Als keine Antwort kam, fuhr er fort. »Die meisten glauben, es wäre eine Schlacht gewesen. Eine Belagerung, ein brennender Turm, ein Feind mit einer Fackel. Ein Narr fragte, ob ein Drache Feuer gespien hätte.« Diesmal klang sein Lachen weicher, doch nicht minder bitter. »Ich will dir sagen, was es war, Mädchen«, sagte er, eine Stimme aus der Nacht, ein Schatten, der so nah herankam, dass sie den säuerlichen Gestank von Wein in seinem Atem riechen konnte. »Ich war jünger als du, sechs, vielleicht sieben. Ein Holzschnitzer richtete seine Werkstatt unter der Burg meines Vaters ein, und um ihn wohlwollend zu stimmen, schickte er uns Gaben. Der alte Mann baute wundervolles Spielzeug. Ich weiß nicht mehr, was ich bekommen hatte, doch wollte ich Gregors Geschenk. Ein hölzerner Ritter, bemalt, und alle
Gelenke einzeln aufgehängt und mit Bändern befestigt, damit man ihn kämpfen lassen konnte. Gregor war fünf Jahre älter als ich, das Geschenk bedeutete ihm nichts, er war bereits ein Knappe, fast sechs Fuß groß, mit Muskeln wie ein Ochse. Also nahm ich seinen Ritter, aber ich hatte keine Freude daran, das kann ich dir sagen. Ich fürchtete mich dauernd, und schließlich fand er mich. Es war eine Kohlenpfanne im Raum. Gregor sagte kein Wort, klemmte mich nur unter den Arm und drückte mein Gesicht in die brennenden Kohlen und hielt mich dort fest, während ich schrie und schrie. Du hast gesehen, wie stark er ist. Damals schon mussten drei ausgewachsene Männer mich von ihm befreien. Die Septonen predigen von den sieben Höllen. Was wissen die schon? Nur jemand, der verbrannt wurde, weiß, wie die Hölle wirklich ist.
Mein Vater erzählte jedermann, mein Lager habe Feuer gefangen, und unser Maester gab mir Salben. Salben! Auch Gregor bekam seine Salben. Vier Jahre später hat man ihn mit den sieben Ölen gesalbt, und er hat seinen ritterlichen Eid abgelegt, und Rhaegar Targaryen hat ihm das Schwert auf die Schulter gelegt und gesagt: ›Erhebt Euch, Ser Gregor.‹«
Die schnarrende Stimme erstarb. Schweigend kauerte er vor ihr, ein ungeschlachter, schwarzer Schatten, von der Nacht umhüllt, vor ihrem Blick verborgen. Sansa konnte seinen rauen Atem hören. Sie empfand Trauer für ihn, das merkte sie. Irgendwie war die Angst verflogen.
Das Schweigen dauerte an, so lange, dass sie sich schon wieder fürchtete, doch fürchtete sie um ihn, nicht um sich selbst. »Er war kein wahrer Ritter«, flüsterte sie ihm zu.
Der Bluthund warf seinen Kopf in den Nacken und brüllte. Sansa taumelte zurück, fort
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