Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
aus Königsmund. Hier.« Der König zog ein Stück Papier aus seinem Gürtel und reichte es Ned.
Varys, der Eunuch, war des Königs Meister der Ohrenbläser. Er diente Robert, wie er es einst für Aerys Targaryen getan hatte. Beklommen entrollte Ned das Papier, dachte an Lysa und ihre schreckliche Beschuldigung, doch die Botschaft betraf nicht Lady Arryn. »Wer ist die Quelle dieser Information? «
»Erinnerst du dich an Ser Jorah Mormont?«
»Als ob ich ihn je vergessen könnte«, erwiderte Ned schroff. Die Mormonts von Bäreninsel waren ein altes Geschlecht, stolz und ehrenhaft, doch ihr Land war kalt und fern und arm. Ser Jorah hatte versucht, die Familienschatulle zu füllen, indem er Wilddiebe an einen Sklavenhändler der Tyroshi verkaufte. Da die Mormonts Vasallen der Starks waren, hatte sein Frevel den Norden entehrt. Ned hatte die lange Reise gen Westen nach Bäreninsel unternommen, nur um bei seiner Ankunft dort festzustellen, dass sich Jorah an Bord eines Schiffes dem Recht des Königs entzogen hatte. Fünf Jahre waren seitdem vergangen.
»Ser Jorah weilt in Pentos und hofft dringlich auf einen königlichen Straferlass, der es ihm erlauben würde, aus der Verbannung heimzukehren«, erklärte Robert. »Lord Varys hat reichlich Verwendung für ihn.«
»Somit ist der Sklavenhändler zum Spion geworden«, sagte Ned angewidert. Er gab den Brief zurück. »Es wäre mir lieber, ihn als toten Mann zu sehen.«
»Varys hält lebende Spione für nützlicher als tote Männer«, sagte Robert. »Von Jorah einmal abgesehen, was hältst du von diesem Bericht?«
»Daenerys Targaryen hat irgendeinen dothrakischen Reiterlord geheiratet. Was ist damit? Sollen wir ihr ein Hochzeitsgeschenk schicken?«
Der König sah ihn fragend an. »Ein Messer vielleicht. Ein gutes, scharfes und einen beherzten Mann, der es schwingt.«
Ned täuschte keine Überraschung vor. Roberts Hass auf die Targaryen war wie ein Wahn. Er erinnerte sich noch gut an die bösen Worte, die zwischen ihnen gefallen waren, als Tywin Lennister Robert die Leichen von Rhaegars Frau und Kindern als Zeichen seiner Treue gebracht hatte. Ned hatte es als Mord bezeichnet, Robert nannte es Krieg. Als er eingewendet hatte, dass der junge Prinz und die Prinzessin kaum mehr als Säuglinge gewesen seien, hatte sein frisch gekrönter König erwidert: »Ich sehe keine Säuglinge. Nur Drachenbrut.« Nicht einmal Jon Arryn war in der Lage gewesen, diesen Sturm zu bändigen. An jenem Tag war Eddard Stark in kalter Wut hinausgeritten, um die letzten Schlachten des Krieges im Süden allein auszufechten. Es hatte eines weiteren Toten bedurft, um sie miteinander auszusöhnen, denn erst Lyannas Tod und die Trauer um sie verband sie wieder.
Diesmal beschloss Ned, seinen Zorn im Zaum zu halten. »Majestät, das Mädchen ist kaum mehr als ein Kind. Ihr seid kein Tywin Lennister, der Unschuldige dahinschlachtet.« Man sagte, Rhaegars kleines Mädchen habe geweint, als man sie unter ihrem Bett hervorgezerrt habe, damit sie sich den Schwertern stellte. Der Junge war nicht mehr als ein Säugling, doch hatten Lord Tywins Soldaten ihn seiner Mutter von der Brust gerissen und ihm den Schädel an der Wand eingeschlagen.
»Und wie lange wird sie ihre Unschuld bewahren?« Um Roberts Mund zeigte sich ein harter Zug. »Dieses Kind wird bald schon seine Beine spreizen und weitere Drachenbrut gebären, um mich damit zu plagen.«
»Nichtsdestotrotz«, hielt Ned dagegen, »Mord an Kindern … es wäre schändlich … unsagbar …«
»Unsagbar?« , brüllte der König. »Was Aerys deinem Bruder Brandon angetan hat, das war unsagbar. Die Art und Weise, wie dein Vater gestorben ist, das war unsagbar. Und Rhaegar … wie oft, glaubst du, hat er deine Schwester vergewaltigt? Wie viele hundert Male?« Seine Stimme war so laut
geworden, dass sein Pferd unter ihm unruhig wieherte. Hart riss der König an den Zügeln, brachte das Tier zur Ruhe und deutete mit wütendem Finger auf Ned. »Ich werde jeden Targaryen töten, den ich zu fassen bekomme, bis sie so tot wie ihre Drachen sind, und dann werde ich auf ihre Gräber pissen. «
Ned war klug genug, ihm nicht zu trotzen, wenn der Zorn ihn überkam. Wenn die Jahre Roberts Rachedurst nicht gestillt hatten, dann würden auch Worte nicht helfen. »Du kommst nicht an sie heran, was?«, fragte er ruhig.
Des Königs Mund verzog sich zu bitterer Miene. »Nein, verflucht seien die Götter. Irgendein pockenkranker, pentosischer Käsehändler hat ihren Bruder
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