Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
zwei seiner eigenen Männer, wie es einem Lennister gebührte. Benjen Stark hatte nur seinen Bastard von einem Neffen und ein paar frische Pferde für die Nachtwache dabei, doch am Rande des Wolfswaldes verbrachten sie eine Nacht hinter den Holzwänden einer Waldfestung und taten sich mit einem weiteren schwarzen Bruder, einem gewissen Yoren, zusammen. Yoren war krumm und finster, sein Gesicht hinter einem Bart verborgen, der so schwarz war wie seine Kleider, doch wirkte er so unbeugsam wie eine alte Wurzel und hart wie Stein. Bei ihm waren zwei zerlumpte Bauernjungen von den Fingern. »Vergewaltiger«, sagte Yoren mit kaltem Blick auf seine Schützlinge. Tyrion verstand. Es hieß, das Leben auf der Mauer sei hart, doch zweifellos war es einer Kastration vorzuziehen.
Fünf Männer, drei Jungen, ein Schattenwolf, zwanzig Pferde und ein Käfig voller Raben, der Benjen Stark von Maester Luwin übergeben worden war. Ohne Zweifel stellten sie auf dem Königsweg eine seltsame Gesellschaft dar wie wohl auf jeder Straße.
Tyrion merkte, dass Jon Schnee Yoren und seine Begleiter beobachtete, mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der beunruhigenderweise wie Bestürzung wirkte. Yoren hatte eine krumme Schulter und einen säuerlichen Geruch an sich, Haar und Bart waren verfilzt und schmierig und voller Läuse, seine Kleidung alt, geflickt und selten gewaschen. Seine beiden jungen Rekruten rochen sogar noch übler und schienen so dumm zu sein, wie sie grausam waren.
Zweifellos hatte der Junge den Fehler begangen, zu glauben, dass sich die Nachtwache aus Männern wie seinem Onkel zusammensetzte. Falls dem so gewesen sein sollte, bereiteten ihm Yoren und seine Begleiter ein rüdes Erwachen. Tyrion hatte Mitleid mit dem Jungen. Er hatte ein hartes Leben gewählt … oder vielleicht sollte man sagen: Für ihn war ein hartes Leben gewählt worden.
Weit weniger Mitgefühl hatte er für den Onkel. Benjen Stark schien den Widerwillen seines Bruders gegen die Lennisters zu teilen und war keineswegs erfreut gewesen, als Tyrion ihm von seinen Absichten erzählt hatte. »Ich warne Euch, Lennister, Wirtshäuser werdet Ihr an der Mauer keine finden«, hatte er gesagt und auf ihn herabgesehen.
»Ohne Zweifel werdet Ihr irgendetwas finden, wo Ihr mich unterbringen könnt«, hatte Tyrion erwidert. »Wie Euch schon aufgefallen sein mag, bin ich ziemlich klein.«
Selbstverständlich schlug man dem Bruder der Königin nichts ab, womit die Sache dann geklärt war, doch Freude hatte Stark darüber nicht empfunden. »Der Ritt wird Euch nicht behagen, das kann ich Euch versprechen«, hatte er barsch gesagt, und seit dem Augenblick, in dem sie losgeritten waren, hatte er alles getan, um sein Versprechen einzulösen.
Gegen Ende der ersten Woche waren Tyrions Oberschenkel blutig gescheuert vom harten Ritt, in den Beinen hatte er schwere Krämpfe, und er fror bis auf die Knochen. Er klagte nicht. Er wollte verdammt sein, wenn er Benjen Stark diese Genugtuung gönnte.
Er nahm eine kleine Rache, was sein Reitfell anging, ein zerfetztes Bärenfell, alt und muffig riechend. Stark hatte es ihm in einem Anflug von Ritterlichkeit angeboten und zweifellos erwartet, dass er dankend ablehnte. Lächelnd hatte Tyrion es akzeptiert. Er hatte seine wärmsten Kleider eingepackt, als sie Winterfell verließen, und bald schon festgestellt, dass sie nicht im Entferntesten warm genug waren. Kalt war es dort oben, und es wurde immer kälter. Die Nächte waren inzwischen unter dem Gefrierpunkt, und wenn der Wind wehte, war es, als schnitte ein Messer geradewegs durch seine wärmste Wollkleidung. Mittlerweile bereute Stark seinen ritterlichen Impuls ganz ohne Zweifel. Vielleicht war es ihm eine Lektion. Die Lennisters lehnten niemals ab, dankend oder sonst wie. Die Lennisters nahmen, was sich ihnen bot.
Bauernhöfe und Festungsanlagen wurden seltener und kleiner, je weiter sie nach Norden kamen, tiefer und tiefer ins Dunkel des Wolfswaldes hinein, bis es schließlich keine Dächer mehr gab, unter denen man Schutz suchen konnte, und sie auf sich selbst gestellt waren.
Tyrion war nie eine große Hilfe, wenn es darum ging, ein Lager zu errichten oder abzubrechen. Zu klein, zu behindert, zu sehr im Weg. Während Stark und Yoren und die anderen Männer also grobe Unterstände errichteten, sich um die Pferde kümmerten, ein Feuer machten, wurde es ihm zur Gewohnheit, sein Fell und einen Weinschlauch zu nehmen und sich zum Lesen zurückzuziehen.
Am achtzehnten Abend ihrer
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