Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
seinem Stuhl am Ende des Tisches herüber. »Gut genug für einen Mann meines Alters, Mylord«, erwiderte er, »doch ermüde ich schnell, wie ich befürchte.« Dünne Strähnen von weißem Haar säumten die breite, kahle Kuppel seiner Stirn über einem freundlichen Gesicht. Seine Ordenskette war kein schlichtes, enges Halsband wie jenes, das Luwin trug, sondern bestand aus zwei Dutzend schwerer Ketten, die zu einem massigen, metallenen Halsschmuck geflochten waren, welcher ihn vom Hals bis auf die Brust bedeckte. Die Glieder waren aus allen Metallen geschmiedet, die den Menschen bekannt waren: schwarzes Eisen und rotes Gold, leuchtendes Kupfer und mattes Blei, Stahl und Blech und fahles Silber, Messing und Bronze und Platin. Granate und Amethyste und schwarze Perlen verzierten die Metallarbeiten, und hier und dort ein Smaragd oder Rubin. »Vielleicht sollten wir beginnen«, schlug der Groß-Maester vor und faltete die Hände auf seinem mächtigen Bauch. »Ich fürchte, ich schlafe ein, wenn wir noch länger warten.«
»Wie Ihr wünscht.« Der Stuhl des Königs am Kopfende des Tisches blieb leer, der gekrönte Hirsch von Baratheon prangte mit goldenem Faden auf seinen Kissen. Ned nahm als Rechte Hand des Königs den Stuhl daneben. »Mylords«, sagte er förmlich, »es tut mir leid, dass ich Euch warten lassen musste.«
»Ihr seid die Rechte Hand des Königs«, sagte Varys. »Wir haben Euch zu dienen, Lord Stark.«
Während die anderen ihre angestammten Plätze einnahmen, wurde Eddard Stark klar, dass er nicht hierher gehörte, in diese Kammer, zu diesen Männern. Ihm fielen Roberts Worte in der Gruft unter Winterfell ein. Ich bin von Schmeichlern und Narren umgeben, hatte der König beteuert. Ned blickte in die Runde und fragte sich, wer die Schmeichler und wer die Narren waren. Er glaubte es schon zu wissen. »Wir sind nur fünf«, bemerkte er.
»Lord Stannis hat sich nach Drachenstein aufgemacht,
kurz nachdem der König gen Norden gezogen ist«, sagte Varys, »und unser tapferer Ser Barristan reitet zweifellos an der Seite des Königs, während dieser sich einen Weg durch die Stadt bahnt, wie es einem Lord Kommandant der Königsgarde gebührt.«
»Vielleicht sollten wir besser warten, bis Ser Barristan und der König sich zu uns gesellen«, schlug Ned vor.
Renly Baratheon lachte laut auf. »Wenn wir darauf warten wollen, dass mein Bruder uns mit seiner königlichen Gegenwart beehrt, könnte es eine lange Sitzung werden.«
»Unser guter König Robert hat zahlreiche Pflichten«, bemerkte Varys. »Er vertraut uns einige kleine Angelegenheiten an, um seine Last zu mindern.«
»Lord Varys will sagen, dass alles, was mit Münze und Ernte und Gesetzen zu tun hat, meinen Bruder zu Tode langweilt«, erklärte Lord Renly, »und somit fällt es uns zu, das Reich zu regieren. Von Zeit zu Zeit allerdings lässt er uns Befehle zukommen.« Er zog ein zusammengerolltes Blatt Papier aus seinem Ärmel und legte es auf den Tisch. »Heute Morgen hat er mir befohlen, in aller Eile vorauszureiten und Groß-Maester Pycelle zu bitten, diesen Rat auf der Stelle einzuberufen. Er hat eine dringende Aufgabe für uns.«
Kleinfinger lächelte und reichte das Blatt an Ned weiter. Es trug das königliche Siegel. Ned brach das Wachs mit dem Daumen und strich den Brief glatt, um den dringenden Befehl des Königs zu erfahren, und las die Worte mit wachsendem Unglauben. Wollten Roberts Torheiten denn kein Ende nehmen? Und es in seinem Namen zu tun, das war Salz in der Wunde. »Gnaden uns die Götter«, fluchte er.
»Was Lord Eddard sagen will«, verkündete Lord Renly, »ist, dass Seine Majestät uns Weisung gibt, ein großes Turnier zu Ehren seiner Ernennung als Rechte Hand des Königs zu geben.«
»Wie viel?«, fragte Kleinfinger nachsichtig.
Ned las die Antwort aus dem Brief. »Vierzigtausend Golddrachen für den Sieger. Zwanzigtausend für den Mann, der
Zweiter wird, weitere zwanzig für den Sieger im Handgemenge und zehntausend für den Sieger des Bogenschießens. «
»Neunzigtausend Goldstücke«, seufzte Kleinfinger. »Und wir dürfen auch die anderen Kosten nicht vergessen. Robert wird ein gewaltiges Fest erwarten. Das bedeutet Köche, Zimmerleute, Kellnerinnen, Sänger, Jongleure, Narren …«
»Narren haben wir reichlich«, warf Lord Renly ein.
Groß-Maester Pycelle sah Kleinfinger an und fragte: »Kann die Schatzkammer diese Kosten tragen?«
»Welche Schatzkammer sollte das sein?«, erwiderte Kleinfinger und verzog den Mund
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