Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Partei zu ergreifen. Trotzdem haben im Laufe der Jahrhunderte manche Lord Kommandanten, bei denen der Stolz stärker als die Weisheit ausgeprägt war, ihre Gelübde vergessen und hätten uns mit ihrem Ehrgeiz beinahe vernichtet. Lord Kommandant Runkel Hohenturm hat versucht, die Nachtwache an seinen Bastardsohn zu vererben. Lord Kommandant Rodrik Flint wollte sich selbst zum König-jenseits-der-Mauer krönen. Tristan Schlamm, der Verrückte Marq Rankenfell, Robin Hügel … Wusstest du, dass vor sechshundert Jahren die Kommandanten von Schneetor und Nachtfeste gegeneinander Krieg geführt haben? Und als der Lord Kommandant Frieden stiften wollte, haben sie sich zusammengetan, um ihn zu ermorden. Der Stark von Winterfell musste eingreifen … und hat beide einen Kopf kürzer machen lassen. Was ihm leicht fiel, weil die Festungen eben nicht zu verteidigen sind. Die Nachtwache hatte vor Jeor Mormont neunhundertundsechsundneunzig Lord Kommandanten, und die meisten waren ehrenwerte und tapfere Männer … aber es gab auch Feiglinge und Narren, Tyrannen und Verrückte. Wir überleben, weil die Lords und Könige der Sieben Königslande wissen, dass wir keine Bedrohung für sie darstellen, gleichgültig, wer uns anführt. Unsere einzigen Feinde sitzen im Norden, und im Norden schützt uns die Mauer.«
Nur hat der Feind jetzt die Mauer überwunden und kommt von Süden, dachte Jon, und die Lords und Könige der Sieben Königslande haben uns vergessen. Wir sitzen zwischen Hammer und Amboss. Ohne Mauer konnte die Schwarze Festung nicht gehalten werden, das wusste Donal Noye so gut wie alle anderen. »Die Burg wird ihnen nichts nützen«, erklärte der Waffenschmied seinen wenigen Männern. »Küche, Gemeinschaftsraum, Stallungen, sogar die Türme … sollen sie ruhig alles nehmen. Wir leeren die Waffenkammer und bringen unsere Vorräte auf die Mauer, und von dort aus verteidigen wir das Tor.«
Und so hatte die Schwarze Festung am Ende doch eine Art Mauer, eine sichelförmige, drei Meter hohe Barrikade aus Vorräten; aus Fässern mit Nägeln und Fässern mit gepökeltem Hammelfleisch, aus Kisten, schwarzen Stoffballen, aufgetürmten Baumstämmen, Balken und feuergehärteten Pfählen und aus Säcken mit Getreide und noch mehr Säcken mit Getreide. Der primitive Wall umschloss die beiden Punkte, die es vor allem zu verteidigen galt, das Tor nach Norden und den Fuß der großen Holztreppe, die wie ein betrunkener Blitzstrahl im Zickzack an der Mauer nach oben führte und von hölzernen Balken getragen wurde, die dick wie Baumstämme tief im Eis ruhten.
Die letzten Bewohner von Mulwarft waren noch immer auf den Stufen unterwegs und wurden von seinen Brüdern vorangetrieben. Grenn trug einen kleinen Jungen auf dem Arm, während Pyp ein Stück weiter unten einen alten Mann stützte. Die ältesten Dorfbewohner warteten vor der Mauer auf den Käfig. Jon beobachtete eine Mutter, die an jeder Hand ein Kind mit sich zog, derweil ein älterer Junge an ihr vorbei die Treppe hinauflief. Sechzig Meter über ihnen standen die Himmelblaue Su und Lady Meliana (die keine echte Lady war, darin waren sich ihre Freunde einig) auf einem Absatz und schauten nach Süden. Sie hatten gewiss einen besseren Blick auf den Rauch als er. Jon wunderte sich über die Dorfbewohner, die sich entschlossen hatten, nicht zu fliehen. Stets gab es einige, die zu
dickköpfig oder zu dumm oder zu mutig waren und nicht davonliefen, einige wenige, die es vorzogen, zu kämpfen, sich zu verstecken oder sich zu ergeben. Vielleicht würden die Thenns sie verschonen.
Das Beste wäre es, sie selbst anzugreifen, dachte er. Mit fünfzig berittenen Grenzern könnten wir sie auf der Straße auseinandertreiben. Aber sie hatten keine fünfzig Grenzer und nicht einmal halb so viele Pferde. Die Soldaten der Schwarzen Festung waren noch nicht zurückgekehrt, und niemand wusste, wo sie sich gerade aufhielten oder ob die Reiter, die Noye ausgesandt hatte, sie überhaupt erreicht hatten.
Wir sind die Soldaten der Schwarzen Festung, dachte Jon bei sich, und schau sich uns einer an. Bowen Marsch hatte Alte, Krüppel und grüne Knaben zurückgelassen, genau wie Donal Noye ihn gewarnt hatte. Einige quälten sich mit Fässern die Treppe hinauf, andere standen auf der Barrikade, zum Beispiel der alte dicke Kegs, der so langsam wie immer war, Leerer Stiefel, der schnell auf seinem Holzbein dahinhüpfte, der halbverrückte Sorglos, der sich für den wiedergeborenen Florian den Narren hielt,
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