Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Tommen unterschrieb sie eins nach dem anderen, tauchte den Federkiel vorsichtig ein und setzte seinen Namen mit breiten, kindlichen Buchstaben unter den Text.
Jaime beobachtete ihn vom Fußende des Tisches aus und dachte an all die Lords, die einen Sitz im Kleinen Rat des Königs anstrebten. Sie können verdammt nochmal meinen haben. Wenn das hier Macht war, weshalb schmeckte sie dann vor allem nach Langeweile? Er fühlte sich nicht besonders mächtig, während er Tommen zuschaute, wie er erneut seinen Federkiel in das Tintenfass tauchte. Er fühlte sich angeödet.
Und zerschlagen. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte, seine Rippen und seine Schultern waren von den Hieben, die er von Ser Addam Marbrand hatte einstecken müssen, mit blauen Flecken übersät. Schon beim bloßen Gedanken daran zuckte er zusammen. Er konnte nur hoffen, dass der Mann den Mund hielt. Jaime kannte Marbrand bereits, seit er ein kleiner Junge gewesen war und als Page auf Casterlystein gedient hatte; er vertraute ihm wie sonst niemandem. Genug jedenfalls,
um ihn zu fragen, ob er mit Schild und Turnierschwert gegen ihn antreten würde. Er wollte wissen, ob er mit der linken Hand kämpfen konnte.
Und jetzt weiß ich es. Das Wissen war schmerzhafter als die Prügel, die Ser Addam ihm verabreicht hatte, und die Prügel waren so schlimm gewesen, dass er sich heute Morgen kaum hatte ankleiden können. Hätten sie ernsthaft gekämpft, wäre Jaime zwei Dutzend Mal getötet worden. Es schien so leicht, einfach die Hände zu wechseln. War es jedoch nicht. Jeder seiner Instinkte war plötzlich falsch. Über alles musste er nachdenken , während er sich sonst einfach nur bewegt hatte. Und während er nachdachte, schlug Marbrand ihn grün und blau. Offenbar konnte er mit der Linken nicht einmal ein Langschwert richtig halten ; dreimal hatte Ser Addam ihn entwaffnet, das Schwert war in hohem Bogen davongeflogen.
»Mit dieser Urkunde verleiht Ihr Land, Einkünfte und Burg an Ser Emmon Frey und seine Hohe Gemahlin, Lady Genna.« Ser Kevan legte dem König ein weiteres Blatt Pergament vor. Tommen tauchte den Kiel ein und unterzeichnete. »Mit diesem Dekret legitimiert Ihr den unehelichen Sohn von Lord Roose Bolton von Grauenstein. Und dieses ernennt Lord Bolton zu Eurem Wächter des Nordens.« Tommen tauchte ein, unterzeichnete. »Diese Urkunde erhebt Lord Rolph Spezer in den Rang eines Lords und verleiht ihm das Besitzrecht an Burg Castamaer.« Tommen kritzelte seinen Namen darunter.
Ich hätte zu Ser Ilyn Payn gehen sollen, dachte Jaime. Der Henker des Königs war zwar kein Freund wie Marbrand und hätte ihn vermutlich ebenso bis aufs Blut verprügelt … Doch ohne Zunge konnte er damit hinterher nicht angeben. Es genügte schließlich eine einzige unvorsichtige Bemerkung von Ser Addam nach ein paar Bechern Wein, und schon wüsste die ganze Welt, wie nutzlos Jaime geworden war. Lord Kommandant der Königsgarde. Es war ein grausamer Scherz, das alles, jedoch nicht ganz so grausam wie das Geschenk, welches sein Vater ihm geschickt hatte.
»Dies ist Eure königliche Begnadigung für Lord Gawen Westerling, seine Hohe Gemahlin und seine Tochter Jeyne, die Ihr wieder in den Frieden des Königs aufnehmt«, sagte Ser Kevan. »Dies ist die Begnadigung von Lord Jonos Bracken von Steinheck. Diese Begnadigung ist für Lord Vanke. Diese für Lord Gotbrook. Diese für Lord Muton von Jungfernteich.«
Jaime erhob sich von seinem Stuhl. »Offensichtlich habt Ihr diese Angelegenheiten sicher im Griff, Onkel. Ich werde Euch Seine Gnaden allein überlassen.«
»Wie du wünschst.« Ser Kevan erhob sich ebenfalls. »Jaime, du solltest zu deinem Vater gehen. Diese Kluft zwischen euch …«
»… ist seine Schuld. Und er wird sie auch nicht überbrücken, indem er mich mit seinen Geschenken verhöhnt. Sagt ihm das, wenn Ihr ihn lange genug von den Tyrells fortlocken könnt.«
Sein Onkel sah ihn betrübt an. »Das Geschenk kam von Herzen. Wir glaubten, damit könnten wir dich ermutigen …«
»… mir eine neue Hand wachsen zu lassen?« Jaime wandte sich an Tommen. Obwohl der neue König die gleichen goldenen Locken und grünen Augen hatte wie Joffrey, erinnerte sonst wenig an seinen verstorbenen Bruder. Er neigte ein wenig zur Molligkeit, sein Gesicht war rund und rosig, und er las sogar gern. Er ist erst neun Jahre alt, mein Sohn. Der Junge ist nicht der Mann. Es würde noch weitere sieben Jahre dauern, bis Tommen selbstständig herrschen würde. Bis dahin läge das
Weitere Kostenlose Bücher