Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
dort schlugen sie das Lager auf einem Hügel im Inneren der Burgruine der alten Flusskönige auf, von wo aus man
den Blauen Arm überblicken konnte. Die verbliebenen Fundamente im wuchernden Unkraut verrieten noch, wo Mauern und Bergfriede gestanden hatten, doch das einfache Volk hatte sich schon vor langer Zeit die meisten Steine geholt, um damit Scheunen, Septen und Wehrtürme zu bauen. In der Mitte des alten Burghofs jedoch war ein großes gemeißeltes Grabmal zurückgeblieben, das halb verborgen im hüfthohen braunen Gras zwischen ein paar Eschen stand.
Der Deckel des Grabes hatte vermutlich ein Bildnis des Mannes getragen, der hier bestattet worden war, doch Regen und Wind hatten ganze Arbeit geleistet. Der König hatte einen Bart gehabt, so viel konnten sie noch erkennen, doch ansonsten war sein Gesicht glatt und ohne Züge, nur Mund, Nase, Augen und die Krone waren vage angedeutet. Die Hände hielten den Schaft eines Kriegshammers, der auf der Brust lag. Einst war die Waffe mit Runen versehen gewesen, die von Namen und Taten kündeten, im Laufe der Jahrhunderte waren sie jedoch ausgewaschen worden. Der Stein selbst war gesprungen und bröckelte an den Ecken, hier und dort breiteten sich weiße Flechten aus, und die wilden Rosen krochen über die Füße des Königs fast bis zu seiner Brust.
Hier fand Catelyn Robb, der ernst in der Dämmerung dastand, nur Grauwind an seiner Seite. Endlich hatte der Regen einmal aufgehört, und ihr Sohn trug keine Kopfbedeckung. »Hat diese Burg einen Namen?«, fragte er leise, als sie sich zu ihm gesellte.
»Altsteinen hat das Volk sie genannt, als ich ein Mädchen war. Aber ohne Zweifel hatte sie früher einen anderen Namen, als sie noch eine Halle von Königen war.« Einmal hatte sie hier mit ihrem Vater auf dem Weg nach Seegart übernachtet. Petyr war auch dabei …
»Es gibt ein Lied«, fiel ihm ein. »Jenne von Altsteinen, mit den Blumen im Haar.«
»Am Ende bleiben von uns immer nur die Lieder. Wenn wir Glück haben.« An jenem Tag hatte sie gespielt, sie wäre Jenne,
hatte sich sogar Blumen ins Haar geflochten. Und Petyr hatte vorgegeben, ihr Prinz der Drachenfliegen zu sein. Catelyn war höchstens zwölf gewesen, Petyr noch ein Junge.
Robb betrachtete das Grabmal.
»Wessen Grab ist das?«
»Hier liegt Tristifer, der Vierte seines Namens, König der Flüsse und der Hügel.« Ihr Vater hatte ihr die Geschichte irgendwann einmal erzählt. »Er hat vom Trident bis zur Eng geherrscht, Tausende von Jahren vor Jenne und ihrem Prinzen, in jenen Tagen, als die Königreiche der Ersten Menschen eines nach dem anderen unter dem Ansturm der Andalen fielen. Der Hammer der Gerechtigkeit wurde er genannt. Hundert Schlachten hat er geschlagen, und neunundneunzig davon gewonnen, so behaupten es die Sänger, und als er diese Burg erbaute, war sie die mächtigste in Westeros.« Sie legte ihrem Sohn die Hand auf die Schulter. »Er fiel in seiner hundertsten Schlacht, in der sich sieben Andalenkönige gegen ihn verbündeten. Der fünfte Tristifer war kein so großer Mann, und bald ging das Königreich verloren und schließlich auch die Burg. Mit Tristifer dem Fünften starb das Haus Schlamm aus, das tausend Jahre lang die Flusslande regiert hatte, ehe die Andalen kamen.«
»Sein Erbe hat ihn enttäuscht.« Robb strich mit der Hand über den rauen verwitterten Stein. »Ich hatte gehofft, Jeyne in guter Hoffnung zurückzulassen … Wir haben es oft genug versucht, aber trotzdem bin ich nicht sicher …«
»Nicht immer klappt es gleich beim ersten Mal.« Wenngleich es bei dir so war. »Nicht einmal beim hundertsten. Du bist noch sehr jung.«
»Jung und ein König«, sagte er. »Ein König braucht einen Erben. Wenn ich in meiner nächsten Schlacht falle, darf das Königreich nicht einfach mit mir sterben. Dem Gesetz nach wäre Sansa die Nächste in der Thronfolge, also würden Winterfell und der Norden an sie übergehen.« Er presste die Lippen aufeinander. »An sie und ihren Hohen Gemahl. Tyrion Lennister.
Das darf ich nicht zulassen. Ich werde es nicht zulassen. Dieser Zwerg darf den Norden niemals in die Finger bekommen.«
»Nein«, stimmte Catelyn zu. »Du musst einen anderen Erben benennen, bis Jeyne dir einen Sohn geschenkt hat.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Der Vater deines Vaters hatte keine Geschwister, doch sein Vater hatte eine Schwester, die einen der jüngeren Söhne von Lord Raymar Rois aus dem jüngeren Zweig geheiratet hat. Sie hatten drei Töchter, die alle
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