Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Catelyns Sicht war dies ein seltsamer Aufzug für Damen, und dennoch schienen sich Derya und Lady Maegen in ihrer Doppelrolle als Kriegerinnen und Frauen besser zurechtzufinden als das Mädchen aus Tarth.
»Ich habe in jeder Schlacht an der Seite des Jungen Wolfs gekämpft«, erzählte Derya Mormont fröhlich. »Bisher hat er nie verloren.«
Nein, aber er hat alles andere verloren , dachte Catelyn, wollte es jedoch nicht laut aussprechen. Den Nordmannen mangelte es nicht an Mut, doch sie waren weit weg von zu Hause, und so hielt sie nur der Glaube an ihren jungen König bei der Stange. Dieser Glaube musste um jeden Preis bewahrt werden. Ich muss stärker werden, sagte sie sich. Für Robb muss ich stark sein. Wenn ich mich der Verzweiflung hingebe, wird mich der Gram verzehren. Alles hing von dieser Heirat ab. Falls Edmure und Roslin glücklich miteinander wurden, falls sich der Späte Lord Frey besänftigen ließ und seine Macht erneut mit Robbs verband … Selbst dann, welche Aussichten haben wir in dieser Zwickmühle zwischen den Lennisters und den Graufreuds? Über diese Frage wagte Catelyn nicht nachzudenken, während Robb nichts anderes mehr im Kopf umging. Wann immer das Lager
aufgeschlagen wurde, sah sie ihn über den Karten brüten und nach einer Möglichkeit suchen, den Norden zurückzuerobern.
Ihr Bruder Edmure hatte indes andere Sorgen. »Du denkst doch nicht, dass alle Töchter von Lord Walder ihm ähnlich sehen, oder?«, fragte er sie, als er in seinem großen gestreiften Pavillon mit Catelyn und seinen Freunden zusammensaß.
»Bei so vielen verschiedenen Müttern sollten einige der Mädchen hübsch sein«, meinte Ser Marq Peiper. »Bloß, weshalb sollte der alte Sack Euch ein hübsches Mädchen geben?«
»Dazu hat er wahrhaftig keinen Grund«, erwiderte Edmure verdrießlich.
Das war mehr, als Catelyn ertragen konnte. »Cersei Lennister ist eine schöne Frau«, sagte sie schroff. »Es wäre klüger, darum zu beten, dass Roslin kräftig und gesund ist und einen klaren Kopf und ein treues Herz besitzt.« Und damit verließ sie die Runde.
Edmure nahm ihr diese Worte übel. Am nächsten Tag mied er sie und bevorzugte die Gesellschaft von Marq Peiper, Lymond Gotbrook, Patrek Mallister und den jungen Vankes. Die schelten ihn nicht außer im Scherz, sagte Catelyn sich, nachdem sie an ihr vorbeigeritten waren, ohne ein Wort mit ihr zu wechseln. Ich bin immer zu hart mit Edmure umgegangen, und jetzt lässt die Trauer meinen Ton noch schroffer klingen. Sie bedauerte ihre Zurechtweisung. Es regnete schon genug, da brauchte sie die Stimmung nicht noch mehr zu trüben. Und war es denn tatsächlich ein solches Vergehen, sich eine hübsche Gemahlin zu wünschen? Sie erinnerte sich an ihre eigene mädchenhafte Enttäuschung, als sie Eddard Stark zum ersten Mal gesehen hatte. Sie hatte sich eine jüngere Version seines Bruders Brandon vorgestellt, doch da hatte sie sich getäuscht. Ned war kleiner, hatte nicht so ein hübsches Gesicht, und obendrein wirkte er so ernst. Er sprach sehr höflich, doch hinter seinen Worten spürte sie eine Kühle, die mit Brandons Temperament überhaupt nichts zu tun hatte, dessen Frohsinn ebenso stürmisch wie sein
Zorn gewesen war. Selbst als er ihr die Unschuld nahm, war ihre Liebe eher von Pflichtgefühl als von Leidenschaft geprägt gewesen. In jener Nacht haben wir immerhin Robb gezeugt; wir haben zusammen einen König gezeugt. Und nach dem Krieg wurde mir auf Winterfell all die Liebe zuteil, die sich eine Frau nur wünschen kann, nachdem ich erst das gute sanfte Herz hinter Neds strenger Miene entdeckt hatte. Warum sollte Edmure mit seiner Roslin nicht das Gleiche erleben?
Wie die Götter es wollten, führte sie der Weg durch den Wisperwald, wo Robb seinen ersten großen Sieg errungen hatte. Sie folgten einem gewundenen Bach durch das enge Tal so wie Jaime Lennisters Männer in jener schicksalhaften Nacht. Damals war es wärmer, erinnerte Catelyn sich, die Bäume waren noch grün, und der Bach war nicht über die Ufer getreten. Gefallenes Laub verstopfte jetzt das Bachbett und bildete nasse Pfropfen zwischen Steinen und Wurzeln, und die Bäume, die einst Robbs Heer verborgen hatten, hatten ihr grünes Kleid gegen ein mattes Gold getauscht, das mit Braun durchsetzt war, und gegen ein Rot, das sie an Rost und getrocknetes Blut denken ließ. Nur die Tannen und Soldatenkiefern zeigten noch Grün und richteten sich wie hohe dunkle Speere gegen die Wolken.
Nicht nur die Bäume sind
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