Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Fremder wieherte und schlug aus, als das Deck unter seinen Füßen schwankte.
Wenn ich ins Wasser springen würde, hätte der Fluss mich fortgespült, ehe der Bluthund überhaupt bemerkt, dass ich verschwunden bin. Sie warf einen Blick über die Schulter und beobachtete, wie Sandor Clegane mit seinem verängstigten Pferd rang und es zu beruhigen versuchte. Eine bessere Chance, ihm zu entfliehen, würde sie nicht bekommen. Dabei könnte ich ertrinken. Jon hatte immer gesagt, sie würde schwimmen wie ein Fisch; in diesem Fluss würde jedoch selbst ein Fisch seine Schwierigkeiten haben. Trotzdem wäre es vielleicht besser zu ertrinken, als nach Königsmund gebracht zu werden. Sie dachte an Joffrey und ging weiter zum Bug. Die Fluten waren trübe und schlammig braun, der Regen prasselte so auf das Wasser nieder,
das es eher wie Suppe aussah. Arya fragte sich, wie kalt es wohl sein mochte. Viel nasser kann ich ja nicht mehr werden. Sie legte eine Hand auf die Reling.
Doch ehe sie springen konnte, ertönte ein Schrei, und sie riss den Kopf herum. Die Fährleute kamen nach vorn gerannt, die Stangen in der Hand. Einen Augenblick lang begriff sie nicht, was los war. Dann sah sie es: Ein riesiger entwurzelter Baum rauschte geradewegs auf sie zu. Ein Gewirr von Ästen und Wurzeln ragte aus dem Wasser wie die Arme eines großen Kraken. Die Männer versuchten hektisch, rückwärts zu rudern, um einen Zusammenstoß, der sie zum Kentern bringen oder ein Loch in den Rumpf schlagen könnte, zu vermeiden. Der alte Mann hatte das Steuer herumgerissen, und das Pferd am Bug schwang flussabwärts, jedoch zu langsam. Schwarz und braun glänzend schoss der Baum wie ein Rammbock auf sie zu.
Er war keine fünf Schritte mehr vom Bug entfernt, als ihn zwei der Bootsleute mit ihren langen Stangen erreichten. Eine zersplitterte, und das Krachen des Holzes klang, als berste die Fähre unter ihnen. Doch dem zweiten gelang es, dem Baumstamm einen kräftigen Stoß zu versetzen, der genügte, um ihn vom Boot fernzuhalten. Der Baum sauste wenige Zoll an der Fähre vorbei, und die Zweige kratzten wie Krallen über den Pferdekopf. Erst als sie schon glaubte, der Baum sei vorüber, prallte einer der oberen Äste des Ungeheuers gegen den Rumpf. Die Fähre schien zu erzittern, Arya verlor das Gleichgewicht und landete schmerzhaft auf einem Knie. Der Mann mit der zerbrochenen Stange hatte nicht so viel Glück. Sie hörte seinen Schrei, als er über Bord ging. Das tosende braune Wasser schlug über ihm zusammen, und er war bereits verschwunden, als Arya wieder auf die Beine kam. Einer der anderen Bootsleute ergriff sofort ein Seil, doch es war niemand zu sehen, dem er es hätte zuwerfen können.
Vielleicht wird er irgendwo weiter unten ans Ufer gespült, redete sich Arya ein, ohne es selbst recht zu glauben. Plötzlich war ihr
die Lust zu schwimmen vergangen. Sandor Clegane schrie sie an, sie solle wieder hineingehen, sonst würde er sie grün und blau prügeln, und sie gehorchte widerstandslos. Die Fährleute kämpften inzwischen wieder gegen den Fluss an, der nichts lieber getan hätte, als sie ins Meer zu treiben.
Schließlich erreichten sie das andere Ufer, allerdings gute zwei Meilen unterhalb des eigentlichen Anlegers. Das Boot stieß so hart gegen das Ufer, dass eine weitere Stange zerbrach, und Arya wäre beinahe erneut gestürzt. Sandor Clegane setzte sie auf Fremder, als sei sie nicht schwerer als eine Puppe. Die Bootsleute starrten sie aus matten, erschöpften Augen an, alle außer dem verkrümmten Alten, der die Hand ausstreckte. »Sechs Drachen«, verlangte er. »Drei für die Überfahrt und drei für den Mann, den ich verloren habe.«
Sandor Clegane wühlte in seinem Geldbeutel und drückte dem Bootsmann ein zerknittertes Stück Pergament in die Hand. »Hier. Nimm zehn.«
»Zehn?« Der Fährmann war verwirrt. »Was soll das?«
»Das ist der Brief eines toten Mannes, der neuntausend Drachen oder ungefähr so viel wert ist.« Der Bluthund schwang sich hinter Arya in den Sattel und lächelte unfreundlich. »Zehn davon gehören dir. Den Rest hole ich mir eines Tages zurück, also gib es nicht aus.«
Der Mann betrachtete blinzelnd das Pergament. »Gekritzel. Was habe ich von Gekritzel? Ihr habt mir Gold versprochen. Bei der Ehre eines Ritters, habt Ihr gesagt.«
»Ritter haben keine verdammte Ehre. Zeit, dass du das begreifst, alter Mann.« Der Hund gab Fremder die Sporen und galoppierte durch den Regen davon. Die Fährleute schleuderten
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