Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
Edgerran der Freigebige, der in ganzer Pracht dasaß, während sich die Köpfe von hundert Dornischen um seine Füße häuften. Die Drei Blätter im Fürstenpass, von dornischen Speeren durchbohrt; Alester, der mit letztem Atem in sein Kriegshorn stieß. Ser Olyvar die Grüne Eiche, ganz in Weiß, wie er an der Seite des Jungen Drachen starb. Dorne ist nicht der rechte Ort für einen Eichenherz.
Bereits vor Prinz Oberyns Tod hatte sich der Ritter jedes Mal nicht wohl in seiner Haut gefühlt, wenn er den Bereich von Sonnspeer verließ und durch die Gassen der Schattenstadt ging. Wo immer er auftauchte, spürte er Blicke auf sich ruhen, kleine, schwarze dornische Augen, die ihn mit kaum verhohlener Feindseligkeit anstarrten. Die Händler versuchten nach Kräften, ihn bei jeder Gelegenheit zu betrügen, und manchmal fragte er sich, ob die Schankwirte wohl in seine Getränke spuckten. Einmal hatte eine Gruppe zerlumpter Jungen ihn mit Steinen beworfen, bis er das Schwert zog und sie daraufhin das Weite suchten. Der Tod der Roten Viper hatte die Dornischen noch mehr in Wallung gebracht, obzwar sich die Lage in den Straßen ein wenig beruhigt hatte, seit Fürst Doran die Sandschlangen in einen Turm gesperrt hatte. Dennoch wäre es eine regelrechte Aufforderung zu einem Überfall gewesen, in der Schattenstadt den weißen Mantel zu tragen. Er hatte drei mitgebracht: zwei aus Wolle, einen leichten und einen schweren, und einen dritten aus feiner weißer Seide. Ohne den weißen Umhang fühlte er sich nackt.
Besser nackt als tot, sagte er sich. Ich bleibe trotzdem ein Mitglied der Königsgarde, auch ohne Mantel. Sie muss das respektieren. Ich muss es ihr begreiflich machen. Er hätte sich niemals in diese Sache hineinziehen lassen sollen, doch wie der Sänger sagte, vermag die Liebe aus jedem Mann einen Toren zu machen.
In der Hitze des Tages, wenn nur Fliegen durch die staubigen Gassen schwirrten, wirkte Sonnspeers Schattenstadt oft wie ausgestorben, doch mit Anbruch des Abends erwachten die Straßen zum Leben. Ser Arys hörte leise Musik, die von einem der mit Jalousien verschlossenen Fenster herunterdrang, und irgendwo wurde die Fingertrommel im raschen Rhythmus eines Speertanzes geschlagen und gab der Nacht einen Puls. Wo sich drei Gassen unterhalb der zweiten Wendelmauer trafen, rief ihm ein Kissenmädchen etwas von einem Balkon zu. Sie war lediglich in Juwelen und Öl gekleidet. Er warf ihr einen Blick zu, zog die Schultern hoch und ging weiter
durch den bissigen Wind. Wir Männer sind so schwach. Unsere Körper verraten selbst den Edelsten von uns. Er dachte an König Baelor den Seligen, der bis zur Ohnmacht gefastet hatte, um die Lüsternheit zu bezähmen, die ihm Schande bereitete. Sollte er seinem Beispiel folgen?
Ein kleiner Mann stand in einem Torbogen, schmorte Schlangenstücke über einem Kohlenbecken und wendete sie mit einer Holzzange, während sie knusprig wurden. Der stechende Geruch der Soßen trieb dem Ritter die Tränen in die Augen. Die beste Schlangensoße enthielt einen Tropfen Gift, hatte er gehört, und außerdem Senfkörner und Drachenpfefferschoten. Myrcella hatte sich ebenso rasch für das dornische Essen begeistert wie für ihren dornischen Prinzen, und von Zeit zu Zeit probierte Ser Arys ihr zuliebe eine oder zwei der Speisen. Sie versengten ihm den Mund, so dass er keuchend nach dem Wein griff, und brannten sogar noch schlimmer, wenn sie wieder herauskamen. Seine kleine Prinzessin jedoch hatte eine Leidenschaft dafür entwickelt.
Er hatte sie in ihren Gemächern zurückgelassen, wo sie sich gegenüber von Prinz Trystan über einen Spieltisch beugte und kunstvolle Spielsteine über Vierecke aus Jade und Karneol und Lapislazuli schob. Myrcella hatte die vollen Lippen leicht geöffnet, die grünen Augen konzentriert zusammengekniffen. Cyvasse nannte sich das Spiel. Es war mit einer Handelsgaleere aus Volantis in die Plankenstadt gelangt, und die Waisen hatten es überall am Grünblut verbreitet. Der dornische Hof war verrückt danach.
Ser Arys dagegen machte es verrückt. Es gab zehn unterschiedliche Steine mit jeweils verschiedenen Eigenschaften und Kräften, und das Brett veränderte sich von einem Spiel zum anderen, je nachdem, wie die Spieler ihre Vierecke anordneten. Prinz Trystan war sofort in das Spiel vernarrt gewesen, und Myrcella hatte es gelernt, damit sie mit ihm spielen konnte. Sie war noch nicht ganz elf, ihr Verlobter schon dreizehn; trotzdem gewann sie inzwischen die meisten
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