Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
darauf erkennen, auch wenn sie verrußt waren. Denn so wie es aussah, war der Wagen in ein Feuer geraten. Ihr Magen zog sich zusammen.
»Ich lasse den großen Lastenheber kommen, dann können wir ihn dort herausholen«, sagte Steamy Joe. Doch Anevay schüttelte den Kopf, setzte bereits einen Fuß auf die Motorhaube des untersten Wagens.
»Ich bin gleich zurück.« Wie ein Eichhörnchen kletterte sie über Hauben und Kotflügel, setzten ihre Segelschuhe in Fensterrahmen, zog sich an Dachleisten nach oben. Es dauerte keine zwei Minuten, da schwang sie sich durch die fehlende Tür ins Innere.
Der Geruch nach Verbranntem war noch immer da, obwohl der Wagen schon lange hier im Wind stand. Der ganze Innenraum wirkte leicht verschmort, die Armaturen verzogen. Doch gebrannt hatte es in dem Wagen nicht. Es schien, als wäre er großer Hitze ausgesetzt gewesen, die von außen gekommen war. Der Lack zeigte Blasen und auch, wenn der Ruß vom Regen der letzten Monate weggewaschen war, so hatte sich dennoch ein Teil davon in das Metall gebrannt.
Anevays Herz klopfte wild. Sie versuchte ihren Papa zu erspüren, doch es funktionierte nicht. Die Verbindung war gerissen. Verbrannt. ›Wo bist du? Ich brauche dich!‹
Sie sah sich in dem Wagen um, auch wenn er schwankte, sobald sie ihr Gewicht verlagerte. Von unten rief Steamy Joe, sie solle bloß aufpassen, diese Blechtürme seien nicht für die Ewigkeit gebaut. A achtete nicht darauf.
Doch alles war fort. Sie hatten nie viel Gepäck gehabt, wenn sie etwas gebraucht hatten, dann hatten sie es gekauft oder eingetauscht. Und in der Nacht der Flucht war kaum Zeit gewesen, etwas mitzunehmen.
Resigniert legte sie eine Hand an das verzogene Lenkrad, die andere auf den Schaltknüppel. Sie schloss die Augen, stellte sich vor, wie sie in der Wüste fahren gelernt hatte, den heißen Staub, die Geschwindigkeit, das Kissen unter ihrem Po, weil sie kaum durch die Frontscheibe gucken konnte. Ihr Vater, der dabei gejuchzt hatte vor Freude. Eine Träne löste sich. A hob die Hand, um sie fortzuwischen, als sie es bemerkte. In ihrer Handfläche war der kleine Abdruck einer Eidechse in einem runden Rußfleck. Sie schniefte und starrte verwirrt auf das Bild, dann hinunter auf den Schaltknüppel, der, jetzt etwas sauberer, eine feine Ritzzeichnung offenbarte, nur spiegelverkehrt.
›Siehst du diese flinken Wesen, Anevay? Sie leben hier in der Wüste, an einem scheinbar feindlichen Ort, dennoch sind sie hier und kommen zurecht. Bei Gefahr buddeln sie sich einfach im Sand ein oder kriechen unter einen Stein. Und ihre Farbe, siehst du, ihre Farbe ist wie die Wüste selbst.‹
A erinnerte sich an diesen Tag. Unter einen Stein kriechen, unter einen Stein …
Sie befühlte den runden, dicken Kopf des Schalthebels, bis sie bemerkte, dass er sich drehen ließ. Hektisch löste sie die obere Hälfte. Darunter, unter dem Stein, lag in der ausgehöhlten Kugel eine Münze. Vorsichtig holte A sie dort heraus. Es war eine seltsame Münze. Sie war so groß wie ein Silberdollar, doch war es keiner. Kerben waren in den Rand gefräst worden, Löcher waren in der Münze auf eigenartige Weise angeordnet. Die Münze war so geprägt worden, denn es gab keine Spuren, dass jemand dies nachträglich getan hätte. Unter dem Rand stand eine verschnörkelte Schrift, kaum lesbar. Fed … Ba …??
A steckte die Münze ein, kletterte aus dem Wrack. Unten standen Steamy Joe und Dozer, beide besorgte Blicke hochwerfend.
»Alles o.k.!«, rief sie und hangelte sich den Weg zurück, die letzten zwei Meter sprang sie.
»Bei den Heiligen, wo hast du denn das gelernt?« Steamy Joe schien beeindruckt. A zuckte mit den Achseln, rückte die Schiebermütze zurecht.
»Sind Sie nie als Kind auf Bäume geklettert, Mr Steamy?« Der fasste sich an die rechte Hüfte, wirkte mit einem Mal abwesend, träumend.
»Doch, junge Dame, aber nicht immer geht das gut aus.« Er räusperte sich. »Hast du gefunden, was du suchtest?«
A nickte. Sie stiegen wieder in den kleinen Wagen und fuhren zurück auf den Vorplatz der Halle. Anevay umarmte den kleinen Mann zum Dank für seine Hilfe, worauf dieser ganz rote Ohren bekam. Dozer stand schweigend daneben.
»Das ist eine Schließfachmünze. Die ist alt, sehr alt sogar.« Leonardo Szuda legte die Lupe beiseite. Interesse blitze in seinen Augen. Neugier.
Anevay stand vor seinem Schreibtisch und kratzte sich unter der Mütze. Ihre Kopfhaut juckte, das Haar wuchs wieder.
»Ich denke kaum, dass mein
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