Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
Vater in diesem Schließdingsda hockt und mit einem Kuchen auf mich wartet.« Sie klang verstört, aber auch verletzt. Sie wusste nichts über das Schicksal ihres Vaters, aber sie hegte große Hoffnung, dass diese Münze etwas daran ändern würde. Doch sie hatte auch beschlossen, den Hoffnungen nicht mehr so viel Raum zu geben. Allzu schnell zerfielen diese zu Staub oder wurden zu Glas.
»Es ist von der Federal Bank of Philadelphia. Aber das Siegel der Stadt New York ist darauf. Die haben hier eine Vertretung. Vielleicht solltest du nachsehen, was es damit auf sich hat?« Leonardo warf ihr die Münze zu.
Anevay fing sie, ohne hinzusehen. »Gut. Und wie?«
Auf der Fahrt hatte A nicht die Muße, wie ein Landei aus dem Fenster zu starren, um sich die Stadt anzusehen. Die Gebäude wurden ohnehin nur immer höher, sperrten immer mehr Himmel aus. Sie saß da und schaute auf die Münze, die sie in ihren Händen wieder und wieder drehte. Sie wollten in den Finanz-Distrikt, dort, wo die Banken ihren Sitz hatten sowie die Börse.
Spanish hielt in dritter Reihe, dennoch kam sofort jemand herbeigelaufen und öffnete die Tür, entschuldigte sich für diese Straßenrowdys, die es gewagt hatten, einem Geschäftsmann so den direkten Zugang zur Bank zu versperren. Man sei bereits dabei, diese ungehobelte Meute Mores zu lehren. Man würde sie alle abschleppen lassen.
Szuda interessierte das herzlich wenig, denn hier war einer der entscheidensten Knotenpunkte der gesamten Stadt, da wurde nun einmal geschubst und geschoben. Aber sobald Dozer sich zu ihnen gesellte, teilte sich die betriebsame Menge dennoch und machte den Weg freiwillig frei. Schwarze Anzüge wohin man blickte. Neidische Augen, habgierige Augen, verlorene Seelen.
Machte der Eingangsbereich, dessen Tür der junge Mann mit einer Verbeugung aufhielt, noch einen bescheidenen Eindruck, so war das Innere der Bank überwältigend. Es war eine Demonstration aus Marmor, Säulen und dunklem Holz. Die Macht des Geldes, in welcher der Mensch wie in einem Tempel mächtiger Götter stand, in Stein gemeißelt. Klein und staunend sollte er sich fühlen. Man hatte New York verlassen und war in eine andere, noch größere Welt getreten.
Anevay musste sich beherrschen, um nicht eben solchen Gefühlen nachzugeben. Allein, dass Leonardo durch dieses Monument schritt, als würde er zum Bäcker um die Ecke gehen, half A, die Fassung zu bewahren. Sie hielt sich neben Dozer, versuchte einen undurchsichtigen Eindruck zu machen. Die Schiebermütze tief ins Gesicht gezogen, folgte sie den beiden.
An dutzenden Schreibtischen brannten dutzende todschicke Pulverlampen. Gespräche wurden flüsternd geführt, es wurde genickt, leise debattiert oder mit edlen Füllfederhaltern Unterschriften gekritzelt. Es war ein leises, geschäftiges Summen, wie in einem Bienenstock, beleuchtet von Kristallleuchtern, die in eine Königshalle gepasst hätten.
Ein wichtig aussehender Mann in formvollendeter Kleidung mit einem exakt gestutzten, angegrauten Backenbart eilte ihnen entgegen. Eine randlose Nickelbrille wippte auf seiner Hakennase, während der Rest des Gesichts versuchte, diesen Besuch irgendwie einzuordnen.
»Mr Szuda, wie wunderbar Sie zu sehen.« Er reichte die Hand, die Leonardo absichtlich ignorierte, während er einfach weiterging, so dass der Mann eine halbe Pirouette machen musste, um mit ihm wieder auf gleiche Höhe zu gelangen. Es sah lustig aus.
Sie steuerten auf eine Treppe zu, die in die Tiefe führte und an der zu beiden Seiten des Geländers kupferne Statuen standen. Man hatte ihnen ein halbwegs menschliches Aussehen verliehen, aber es gab wohl niemanden, der nicht wusste, dass es Wächter waren. Kurz vor der Treppe, der Bankfuzzi kam langsam außer Atem, reichte Leonardo ihm die Münze.
»Ahh, ich begreife Ihr Anliegen, Mr Szuda. Bitte dort hinunter.«
Leonardo kannte den Weg offensichtlich und schwieg. Sie stiegen die breite Treppe hinab, es wurde dunkler. In den Wänden erkannte Anevay Augen - Wächteraugen - und fragte sich, was hinter ihnen sein mochte. Sie passierten schwer bewachte Gittertüren, dann ging es abermals eine Treppe hinab, die von weiteren Gittern geschützt wurde. Man legte hier offenbar großen Wert auf Sicherheit.
Am Ende fanden sie sich in einem mittelgroßen Vorraum wieder, der gänzlich aus Holz war. Der Mann schwitzte ein wenig und tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn. A hielt sich im Hintergrund, spitzte aber die Ohren.
»Nun, Mr Szuda, das
Weitere Kostenlose Bücher