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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Anrufe in Abwesenheit. Sprachnachrichten: drei. Alle von Brigida. Meine Güte, warum in Abwesenheit? Ich hatte nichts gehört, war Sizilien denn ein einziges Funkloch?
    »Es ist zwar widerlich, geht aber nicht anders!« Lella seufzte und redete daraufhin schnell auf Mario ein.
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »Ich habe ihm gesagt, er soll durchgeben, dass die ehrenwerte Familie LoConte diese Tasche sucht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht haben wir auf diese Art eine Chance und Teresas einflussreicher Familienname, den sie immer so betont, ist endlich mal zu etwas zu gebrauchen!«
    Wer waren die LoContes nun wieder? Mario räusperte sich wichtig, gab dann den Namen und die besonderen Merkmale der Tasche noch einmal durch und dass das Fundstück doch bitte in der Bar Eden abzugeben wäre.
     
    Die Bar war ein Reinfall, sie erfüllte überhaupt nichts von dem, was ich mir bis zu diesem Zeitpunkt unter ›Eden‹ vorgestellt hatte, denn ›Eden‹ war hässlich. Vor dem hoffnungsvoll
angesteuerten Taxitreffpunkt parkte kein einziger Wagen, dafür wuchsen aus den Fliesen des schadhaften Bürgersteigs Grasbüschel, die man auch mit viel gutem Willen nicht als Garten durchgehen lassen konnte. Eine Markise spendete drei Tischen Schatten, den niemand benötigte, ein einsamer Stuhl stand neben der Tür, die in der Fensterfront eingelassen war. Im Gänsemarsch, Fahrer Mario voran, gingen wir durch die Tür, überquerten eine Fläche, auf der eine zwanzigköpfige Folkloregruppe mühelos ihre Volkstänze hätte aufführen können, und erreichten den Tresen.
    »Mario!«, rief der barista, während er uns mit unverhohlener Neugier anstarrte.
    »Was willst du trinken?«, fragte Lella mich, sie selbst bestellte eine latte macchiato.
    »Campari.« Ich hatte Brigidas Lieblingsgetränk zu meinem gemacht. Campari machte mich locker, und wenn ich locker wäre, würde ich ihr die ganze Sache besser erklären können. Ich tippte ihr ein »Amore, tutto bene« in mein Handy.
    »Sag es ihr lieber noch nicht, vielleicht haben wir ja Glück.« Lella lehnte sich an den Tresen und massierte wieder ihre Schläfen. »Dio, hoffentlich haben wir Glück«, hörte ich sie hinter ihren Händen murmeln. Sie wusste genau, wem ich schrieb, ich hatte im Flugzeug viel zu viel erzählt, und sie hatte sich offenbar alles gemerkt. Meine Finger trommelten auf den hellen Marmor der Theke. »Also Campari!« Ich war nervös, seit Stunden fuhr ich nun schon meiner Tasche hinterher. »Amalcolico?«, wurde ich gefragt. »Anal... was?« »Ohne Alkohol?«, übersetzte Lella das Wort des Barkeepers. »Mit natürlich! Und Soda bitte.« Ich trank in hastigen Zügen, sobald das schildlausrote Getränk vor mir stand.
Nach zwei weiteren Campari schaffte ich es, mich von der Theke zu lösen. Ich blätterte die Seiten des Giornale di Sicilia um, das auf der Eistruhe ausgebreitet war, und schaute mir die Bilder an, da ich von den Schlagzeilen kein Wort verstand. Fotos von bewaffneten Soldaten in Somalia und zwei böse blickenden, halslosen Männern, die wahrscheinlich verhaftet worden waren. Der Barmann füllte Oliven, Chips und Erdnüsse in kleine Schalen, die er auf einem Deckchen mehrmals umarrangierte, bis er abschließend mit einem Geschirrhandtuch zufrieden über den Tresen wischte. Sonst passierte nichts. Mario stand dicht neben Lella und redete auf sie ein, während sie mit einem langen Löffel in ihrem Latte-macchiato-Glas rührte.
    Ich verstand vier Worte: Germania, ristorante, Sicilia, fidanzato.
    Lella schüttelte mehrmals den Kopf. Ich wusste nicht, auf welche Frage sie mit Nein antwortete. Auf die nach dem Verlobten auch? Sie schaute in die andere Richtung, und Mario gab auf, er kam bei ihr nicht weiter. Gewissermaßen freute mich das.
    »E lui?«, fragte er. Lui war ich. Ich spürte, wie der Alkohol mich entspannte, und rückte näher an Lella heran. Ich wollte verstehen, was sie über mich sagte.
    Sie zuckte die Schultern. Fotografo, mácchina fotografíca, und giorno, tassi, merda.
    Sie hatte Scheiße gesagt. Über mich? Oder Scheißtag? Scheißtaxi? Scheißtyp, das schien mir im Moment am wahrscheinlichsten... Ich trank den vierten Campari. Mario sah zur Fensterfront und hob das Kinn. Zwei Taxis hielten vor der Bar, die Fahrer waren kaum durch die Tür, da riefen sie schon ihre Bestellungen durch den weiten Raum.

    »Due caffe!« Ich reckte mich und sackte gleich wieder zusammen: Ihre Hände waren leer. Etwas berührte mich leicht am Ellenbogen. Es war

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