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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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nicht zu sagen unanständig vor.
    »War sie deine Oma?«
    Überrascht hob Lella die Augen vom grauen Asphalt. Sie sah auf einmal sehr müde aus.
    »Die Frau meines Bruders. Mein Bruder ist vor drei Jahren gestorben.«
    »Oh, das... das tut mir leid... auch - leid.« Was für ein Hohlkopf ich war, das tut mir auch leid! Die schöne Lady Madonna starrte über die Menschenmenge, die sich jetzt zu einem Zug formte, und antwortete nicht. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und dann in den Himmel.
    »Nun denn«, sagte ich nach einer endlosen Minute, »ich bin ein bisschen erledigt, ich sollte mal langsam zurückkehren nach Palermo, mich vorbereiten, in meinem Hotel die Akkus aufladen, alles prüfen für morgen.«
    »Ja.«

    »Und ich weiß noch nicht einmal den Namen meines Hotels, weil sich alle Unterlagen in der Tasche befinden.« Ich lachte, ich redete geschwollen, wie immer, wenn ich verlegen war. Es klang dumm, unheimlich dumm. Entspann dich, Philip Eric Domin!, befahl ich mir, sei ganz du selbst und rede, Herrgott noch mal, vernünftig! Ich versuchte es: »Eine dumme Verwechslung, irgendwer hat die Taschen in die falschen Taxen gelegt. Wo ist mein Taxifahrer eigentlich hin?«
    »Holt meinen... Koffer aus der Kirche.«
    Am tonlosen Klang ihrer Stimme und ihrem Blick merkte ich, dass meine größte Sorge sich bestätigen würde.
    »Sag jetzt nicht, du hast sie... Das gibt es doch nicht! Wo hast du die Tasche gelassen? Da war meine Hasselblad drin, die war noch nicht mal bezahlt...Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?! Sämtliche Objektive, der neue Belichtungsmesser, mein Laptop, mein Handy... ich glaub es einfach nicht!«
    Ich rannte ein paar Schritte davon, um sogleich wieder auf sie zuzusteuern. »Das ist eine Katastrophe!«, rief ich, trat noch einen Schritt näher auf sie zu und guckte ihr wütend ins Gesicht. Was für eine Entschuldigung würde sie herausbringen? Zu meinem Erstaunen wich Lella nicht vor mir zurück, sie biss stattdessen auf ihrem Daumenknöchel herum, nickte, seufzte leise und schnalzte mit der Zunge. Zweimal sagte sie: » Oh, no!«
    Vielen Dank, sie hatte sie liegen lassen! Meine neue Kamera fuhr in einem Taxi über Siziliens Straßen, wahrscheinlich lag sie schon längst bei einem Schieber in Palermo, der sich die schwarz behaarten Hände vor Freude über die hochmoderne Ausrüstung rieb! Ich legte meine Arme auf
das Autodach und bettete meinen schmerzenden Kopf darauf, wir redeten kein Wort miteinander, bis ein Quietschen die Rückkehr des Taxifahrers ankündigte, der einen schwarzen Rollenkoffer hinter sich herzog und einen graublauen, verknitterten Damenmantel im Arm trug.
    »Piacere, Bracciocaldo Mario!« Ich war plötzlich Luft für ihn, aber das war mir egal. Lella erklärte ihm die Verwechslung. Während er Lellas Gepäck im Kofferraum verstaute, stellte er viele Fragen, Lella schüttelte nur den Kopf. Es ging um das andere Taxi, den Fahrer und die Automarke, so viel verstand ich.
    »Bar Eden?«
    »Si, andiamo!« Ihre Stimme klang auf einmal gehetzt, Mario lief um das Auto herum und öffnete ihr die Beifahrertür, nur mir machte niemand die Tür auf. Dann sah ich, wie ein Mann mit ölig nach hinten gekämmten Haaren auf uns zukam. Lella hatte ihn auch gesehen. »Dai, andiamo!« Mario warf seinen untersetzten Körper ächzend hinter das Steuer, schnell verzog ich mich auf die Rückbank. Wir fuhren dem Ölkopf fast über die Füße. Lella drehte sich zu mir um: »Wenn sich irgendwo in Bagheria Taxis treffen, dann vor der Bar Eden.«
    »Schön.«
    »Dass ist eine Möglichkeit.«
    Es sollte vermutlich hoffnungsvoll klingen, tat es aber nicht, sie rieb sich die Schläfen mit beiden Händen, wahrscheinlich hatte sie wie ich Kopfschmerzen.
    »Er fragt jetzt mal.«
    Per Funk gab unser Fahrer die Suche nach der Tasche durch.
    »Falls das Taxi aber schon wieder Richtung Palermo
ist...«, begann Lella den Satz, um ihn nicht zu beenden. Mario nickte, »eh! Si! «, sagte er, als ob er verstanden hätte. Ja... dann sah es -eh! Si!- schlecht aus, so viel hatte ich auf meinem Rücksitz auch schon begriffen.
    Plötzlich klingelte ein Handy. Es war Mozarts »Kleine Nachtmusik« und deswegen war es mein Handy! Es hatte die ganze Zeit in der Tasche meines viel zu warmen Mantels gesteckt, wo ich es eigentlich nie aufbewahre, da ich elektromagnetische Strahlungen so fern wie möglich von meinem Körper halten möchte. Es vibrierte klingelnd vor sich hin und hörte auf, noch bevor ich es hervorgenestelt hatte. Zehn

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