Das Limonenhaus
Familienangelegenheiten belästigt haben.«
»Es ist nicht superschick, aber auch wenn es das wäre, könnte ich nichts riechen«, murmelte ich.
»Bitte?!«
»Ich habe nur die ersten fünf Jahre meines Lebens riechen können. Und das ist dreiundzwanzig Jahre her.«
»Wie, du riechst nichts? Keinen Kaffee, keine frittierten Reisbällchen, noch nicht mal deine eigenen Socken?«
Ich beobachtete, wie Lella geistesabwesend mit der Nase an ihrem Handgelenk auf und ab fuhr, wahrscheinlich ein neues Parfüm, welches das Abteil mit einem Duft sättigte, den ich nie wahrnehmen würde, so oft ich ihn auch durch meine Nasenlöcher strömen lassen würde.
Lella hielt sich die Hand vor den Mund. »Entschuldige«, hauchte sie.
»Schon gut.« Liebend gerne hätte ich in diesem Moment ihre Hand vom Mund genommen und die weiche Innenseite ihres Armes mit der Nase berührt, doch sofort sah ich Brigidas schief nach unten lächelnden Mund vor mir, den sie immer bekam, wenn sie eifersüchtig war. Ich holte tief Luft.
»Anosmie. Verlust des Geruchssinns nach einer Nasen-OP. Aber bevor du jetzt auf die Idee kommst, du könntest mir helfen: Nein, das kannst du nicht, alles ist gut. Ich komme mit meinen Problemen alleine klar. Ich möchte nicht mehr von dir wissen, was das hier alles bedeutet, und du fragst nicht mehr nach mir. Können wir uns darauf verständigen? Und in Malfa ist unsere Reise dann zu Ende. Nur kein’ Stress!«
Ich hasste mich für meine Worte. »Nur kein’ Stress!« ˿ damit blockte Brigida Kunden der Agentur und Künstler der Galerie ab, die zu forsch oder zu fordernd auftraten. Brigida! Die Galerie! Ich hatte vergessen, anzurufen und sie von der Verzögerung zu unterrichten. Ein schweres Versäumnis! Die erste Regel der Agentur lautete: dem Kunden sofort melden, wenn sich etwas ändert. Und die zweite Regel der Agentur: immer melden, wo man ist, besonders im Ausland. Da ich dem Kunden nicht auf Italienisch schreiben konnte, tippte ich eine Nachricht an Brigida in mein Handy, löschte sie wieder und formulierte sie mehrmals um, bis ich endlich
mit dem Text zufrieden war. Lässig, ein bisschen anzüglich, nicht zu liebevoll, aber doch mit zwei »Amore!« darin. Ja, so würde es gehen. Ich schaute auf. Lella war in ihrer Ecke zusammengesunken, erstaunt bemerkte ich, dass sie schlief. Ihr Gesicht war entspannt, als hätte sie ihm verboten, im Schlaf preiszugeben, dass sie etwas bedrückte.
Eine kleine Hand schob sich in mein Blickfeld und hielt mir eine Figur dicht vor die Augen. Ich grinste Matilde überrascht an.
»Also los, Tiger!«
Kapitel 14
LELLA
Das Geräusch der Motoren flaute ab und wurde leiser, und nun kam Bewegung in die Passagiere, während das Boot langsamer wurde. Ich beobachtete, wie Phil in der Reihe neben uns mit spitzen Fingern die fleckigen Gardinen etwas beiseiteschob, und wusste, er würde nichts erkennen. Die Scheiben waren, schon bevor wir losfuhren, vom Salz des Meerwassers undurchsichtig gewesen, wie ein milchiger Schleier vor den Augen, der sich nicht wegwischen ließ. Während der Überfahrt durch die aufwirbelnden Wasserwolken hatte man Phil den Zugang zum hinteren Deck verweigert. Mit sparsamen Handbewegungen hatten die rauchenden Männer in den blauen Overalls ihn wieder unter Deck gescheucht. Zu gefährlich. Wütend war er zu seinem Sitz zurückgestapft. Ich tat so, als hätte ich es nicht gesehen. Wahrscheinlich war ihm elend, die blinde Reise ins Nichts hatte seinen Magen durcheinandergebracht. Mir ging es ähnlich, und auch Matilde war ganz bleich, obwohl sie mit leichtem Kopfnicken behauptete, es ginge ihr gut.
»Was müsste man jetzt sehen, wenn man etwas sehen könnte?«, fragte er. Ich schaute ihn an, sein Mund war noch immer ein schlecht gelaunter Strich in seinem Gesicht.
»Keine Ahnung, ich war noch nie auf Salina.«
»Aber meines Wissens gehören die Liparischen Inseln doch alle zu Sizilien?«
Meines Wissens, meines Wissens! Manchmal redete er wie ein Lehrer.
»Ich kenne nicht viel von Sizilien und ganz bestimmt niemanden hier.« Damit drehte ich ihm den Rücken zu, holte mein telefonino hervor und tippte eine Nachricht an Susa.
Susa ˿ kochst du oder schläfst du?
Schlafe... wo bist du?
Mit einem Klotz am Bein gleich auf einer Insel
Geduld, die Kleine ist wahrscheinlich noch ganz verstört
Die Kleine ist mein Allerliebstes und ganz süß!
Zwei Sekunden später klingelte es, und Susa trompetete in mein Ohr: »Das ist jetzt nicht wahr!
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