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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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lenkte. Die Töne flogen durch das geöffnete Fenster über die Blüten am Wegesrand, über Iris, über weiße Lilien, Farne und jede Menge Kakteen und begleiteten uns den Berg hinauf.
    »Den Film Il Postino haben sie hier gedreht. Troisi hat bei uns gewohnt, bei uns in Malfa! Ist kurz danach leider gestorben, das Herz, er hatte es am Herzen.«
    »Ein wunderschöner Film«, stimmte ich ihm zu. Einen Moment lang saß ich nicht mehr im Bus, sondern wieder Hand in Hand mit Claudio im Freiluftkino von Santa Flavia. Die Popcorntüte rutschte von meinem Schoß, während der Postino auf der Leinwand die Berge herauf und herunter radelte und Claudio mir seine Hakennase ins Ohr bohrte und hineintuschelte: »Da fahre ich mit dir hin.«
    »Wir haben alle mitgemacht, stimmt doch, Adolfo?!«, rief der Busfahrer. »Adolfo war einer der Fischer, da musste er sich gar nicht anstrengen, das hat er ja immer schon gemacht. Und das Häuschen, also das Häuschen, in dem Philippe Noiret den Dichter Neruda spielt, kann man heute noch besichtigen, sogar mieten, ich kenne den Besitzer.«
    »Wir würden auch gerne ein Haus mieten«, fiel ich ihm ins Wort. Wir?, dachte ich im selben Moment. Was will ›Mr. Schlechte Laune‹ neben mir überhaupt? Braucht er ein Luxushotel, möchte er etwas Einfaches, ist er der geizige Typ, der vom Preis-Leistungs-Verhältnis schwafelt und mit nichts
zufrieden ist, aber alles zu teuer findet? Er wird herummaulen, ich weiß es!
    Der Busfahrer hatte mich nicht gehört.
    »Il postino hat unsere Insel berühmt gemacht!«
    Ich nickte. Dass ein Großteil der Szenen in den Filmstudios von Rom und auf Procida, einer Insel vor Napoli entstanden war, interessierte den stolzen Fahrer und die restlichen Einwohner der Insel sicher nicht. Er hupte zweimal laut und scheuchte damit einen jungen Mann, der barfuß auf einem Motorroller mitten auf der Straße fuhr, an die Seite.
    »Nino! Trägt fast das ganze Jahr keine Schuhe, der Kerl, von März bis November nicht.«
    »Pazzo!«, spuckte der Alte von hinten gegen die Sitze, » é pazzo! « Man hörte, dass er kaum noch Zähne im Mund hatte.
    »Was meint er?«, fragte Phil, der urplötzlich aus seiner Starre erwacht war. »Was heißt überhaupt dieses ›Katzo‹?«
    »Äh, das Wort hat er nicht gesagt, er sagte pazzo «, zischte ich über den Gang. O Dio , noch nicht einmal cazzo hatte seine zielstrebige Karriere-Frau-Freundin ihm beigebracht, und dass man dieses Wort besser nicht sagte, weil es ein ziemlich heftiges Schimpfwort war.
    » Pazzo bedeutet verrückt. Der Typ vor uns fährt ohne Schuhe.«
    »Hier kennen sich alle, oder?« Seine Worte klangen verächtlich.
    Ich seufzte als Antwort und drehte mich um. Folgte uns jemand? Nur der Rollerfahrer, der vor sich hin zu singen schien und dabei den Mund weit aufriss. Wir fuhren an Weinfeldern vorbei. Ein alter Mann stand zwischen den grünen Reihen und werkelte an den Reben herum; er schaute
unserem Bus lange nach. Auch Phil hatte den Weinbauer entdeckt.
    »Was immer er auch tut, wenn der in diesem Tempo weitermacht, wird es Tage dauern, bis er damit fertig ist.«
    Ich antwortete nicht. Dann dauerte es eben. Ein Ortsschild tauchte auf, »Malfa« stand in weißer Schrift auf blauem Grund. Ich warf einen Blick zu Phil hinüber, der aber nicht aus dem Fenster, sondern auf das Display seines Handys schaute. Malfa war eine Tankstelle, war Massimos Rollerverleih, war ein paar flache, weiße Häuser und viele Kurven. Auch eine Kirche gehörte zu Malfa und hohe Palmen mit zusammengebundenen, welken Blätterbüscheln, unter denen der Bus nun stoppte. Wir hielten direkt vor einem Mann mit sanften Knopfaugen, dessen graues Haar im aufkommenden Wind wehte und der schon auf uns zu warten schien. Gemächlich lud der Fahrer das Gepäck aus und verabschiedete sich, indem er mir herzlich beide Hände schüttelte. Phil war schon ein paar Meter weggeschlendert. Er sah sich um, als ob er den ganzen Ort kaufen wollte.
    »Cercate un’alloggio?«, fragte der ältere Mann, der sich als Giuseppe vorstellte. Ich nickte und schnappte nach Matildes Hand. Ich hatte Angst, dass sie unter den Rädern eines Kleinwagens oder Mopeds landen würde, die in hohem Tempo die abfallende Straße hinuntergefahren kamen.
    Ich sah hinüber zu Phil. Seine Turnschuhe, die Jeans ˿ alles war lässig, teuer und perfekt aufeinander abgestimmt. In diesem Moment steckte er die Hände in die Hosentaschen und rückte seine Füße eine Idee weiter auseinander, sein halblanger

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