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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Sag mir jetzt nicht, du hast den Blitzschlag mitgenommen!«
    »Doch.« Es klang so kleinlaut, wie ich mich fühlte.
    »Jahrelang versuche ich erfolglos, dich zu verkuppeln, und dann schnappst du dir den Ersten, der im Flugzeug neben dir sitzt. Respekt, das ist unglaublich!«
    »Ich werde ihn bald wieder los.«
    »Nun hab mal kein schlechtes Gewissen. Ich bin nicht deine Mutter, deine Begleitung darfst du dir mit knapp sechsundzwanzig Jahren schon selbst aussuchen. Was ist mit ihm?«

    Ich bemühte mich, leise, aber deutlich ins Telefon zu sprechen, damit Susa verstand, was ich sagte, Phil mich aber auf keinen Fall hören konnte.
    »Ich könnte ihn immerzu ansehen, aber ich glaube, er ist schwierig.«
    »Schwieriges brauchst du jetzt nicht. Wenn er sich blöd benimmt, schick ihn weg. Konzentrier dich auf Matilde! Wie geht es ihr? Wie verkraftet sie das alles?«
    »Bis jetzt ganz gut. Sie hat noch nicht ein Mal nach ihren Großeltern gefragt, sie redet kaum, aber das kenne ich nicht anders von ihr.«
    »Du wirst das hinbekommen. Und lass dich bitte nicht auf irgendwas ein, was dir und der Kleinen nicht guttun könnte. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Kompromisse. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Jederzeit, ehrlich!«
    »Danke.« Ich schickte ihr einen schmatzenden Kuss, war aber nicht sicher, ob sie ihn noch gehört hatte.
    Matilde zupfte an meinem Ärmel.
    »Schau mal«, sie zeigte auf die blauen Gardinen, »das sind alles Seepferdchen!«
    »Nein, wirklich? Tatsächlich!« Das dunkelblaue Gewimmel auf hellblauem Grund waren miteinander verschlungene Seepferdchen.
    »Was du alles siehst, Mätti. Du bist eine richtige Entdeckerin.«
    Unser Tragflügelboot wurde noch langsamer. Einer von den Männern mit den blauen Overalls öffnete die Tür und blieb lässig im Rahmen stehen. Mit exakt berechneten Vorwärts- und Rückwärtsmanövern schob sich das Boot durch den hohen Wellengang dem Landesteg entgegen. Endlich, nach einer guten Stunde, konnten wir die abgeschabten
Sitzreihen verlassen und mit den anderen Fahrgästen einen Blick durch die Türöffnung nach draußen werfen. Ich atmete erleichtert die kühle salzige Luft ein, die in das Innere des Bootes strömte, hielt mich an einer der Sitzlehnen fest und packte Matilde, die still neben mir stand, noch fester an der Hand.
    Vor uns ragte das Grün der Insel im weichen Licht des Nachmittags aus dem Meer. Ich wippte auf den Zehenspitzen, um über die Köpfe der Mitreisenden hinweg mehr von der Insel zu erhaschen, konnte aber die Kuppe nicht sehen. Wir waren zu dicht dran.
    Es rummste leicht ˿ wir hatten angelegt. Während die Passagiere vor uns sich zum Aussteigen bereitmachten, musterte ich die Männer an Land, die mit jahrelang geübten Griffen die Seile festzurrten, sodass das Boot nur noch leicht auf und ab schaukelte. Ihre beleibten Körper steckten in karierten Flanellhemden. Ich sah ihre groben, sonnengegerbten Züge, sah die Zahnlücken in ihren Mündern, ihre derben Hände und ihre Augen, die in einem fort das Meer und die Knoten der Taue überwachten. Ich mochte sie.
    »Freunde von dir?«, fragte Phil, der mich beobachtet haben musste. Seine Stirn warf immer noch angestrengte Falten, seine Augen blieben ernst, aber um seinen Mund zuckte es ein wenig. Etwas Warmes stieg in mir empor, wärmte Zwerchfell, Busen und alles drum herum. Der Satz hätte von Leonardo kommen können, so hatte er mich auch immer geneckt, wenn wir an einer Gruppe eigenartiger Menschen vorbeigekommen waren. Meine Lippen zogen sich wie von selbst nach oben, zu einem Lächeln, das ich ihn nicht sehen lassen wollte. Ich beugte mich hinunter und strich Matilde über die Wange.

    »Halte Bandito gut fest, jetzt steigen wir aus.« Matilde umklammerte ihren Bären, der von Leonardo wegen seines fehlenden Arms »Einarmiger Bandito« getauft worden war, und blickte auf den Boden.
    Schwielige Hände streckten sich uns entgegen, um uns über den schmalen, schwankenden Metallsteg auf die Anlegeplattform zu helfen. Gutmütige Blicke unter buschigen Augenbrauen trafen mich und Matilde in ihren dunklen Jungensachen. Für die Fährleute musste es aussehen, als verließe eine junge Frau mit ihrem kleinen Sohn und viel zu viel Gepäck das Boot. Ich stellte Koffer und Taschen ab, unter mir konnte ich durch die Gitter die Wellen schwappen sehen.
    Die anderen Passagiere entfernten sich. Innerhalb weniger Minuten verschwanden sie am Ende der langen Mole zwischen den Häusern von Santa Marina

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