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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Steinboden und machten die Veranda zu einem behaglichen Freiluft-Wohnzimmer. Plötzlich hatte ich das Gefühl, im Urlaub zu sein. Wir mieteten ein Ferienhaus, wir waren hergekommen, um in der Sonne zu liegen, kühle granita zu essen und uns zu erholen.
    Matilde schmiss den einarmigen Bandito hoch gegen die grünen Weinranken und sprach ihr erstes Wort auf der Insel, sie sagte: »Bella!«
    Es war wirklich bella, auch Phils Augen begannen zu lachen. Er klopfte rechts und links an die vom Wetter gegerbten, abblätternden Säulen, als wären es Pferdehälse, und staunte mit offenem Mund über den Ausblick, der sich ihm
bot. Noch näher als eben auf dem Kirchplatz lag das Meer vor uns. Am Horizont, über den weißen Schaumkronen der Wellen, ragten zwei Inseln aus dem Wasser, ein symmetrischer Kegel und rechts daneben ein kleiner Buckel, flacher, unregelmäßig. Ich hob den Bären auf und gab ihn Matilde zurück. Unfassbar: Phil lachte! Er sagte etwas, das wie »Ho!« klang, und zeigte dann aufs Meer.
    »Wie heißen die?«
    Ich fragte Giuseppe und übersetzte dann: »Links siehst du Stromboli, und östlich davon Panarea.«
    »Ist das etwa Lavagestein? Echtes Lavagestein? Dann muss ich unbedingt etwas davon mit nach Deutschland nehmen.«
    Die schwarzen Steine, mit denen der abfallende schmale Gartenstreifen unterhalb des Hauses ummauert war, strahlten etwas Düsteres, aber auch Tröstliches aus, als ob sie sich warm anfühlten, würde man sie berühren. Wenn er meinte, er müsse sie mit nach Hause schleppen, nur zu.
    Gemeinsam gingen wir zum anderen Ende der Veranda und blickten den bewachsenen Berghang hinauf. Weiter oben war die Vegetation zwar niedriger, aber immer noch grün. Die weiche, feuchte Luft füllte unsere Lungen, der Wind war hier unter der Weinpergola kaum zu spüren.
    »Wir stehen auf mehreren Vulkanen«, rief Phil. »Wusstest du das? Eigentlich sind es sechs Vulkane übereinander, die Salina in den letzten paar Millionen Jahren geformt haben.«
    Ich hörte gar nicht richtig zu, drehte mich stattdessen einmal um mich selbst. Die nächsten Häuser lagen versteckt im Grün unter uns, wir waren alleine, in Sicherheit. Ringsherum gab es nur den Berg, in dessen Hang unser Haus gebaut
war, das Meer und die zwei Inseln. Weder Teresa noch ihre grobschlächtigen Söhne, weder Claudio noch Mamma Maria oder Salvatore konnten ahnen, wo ich mich mit Matilde aufhielt.
    Ein tonnenschwerer Stein, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn mitgeschleppt hatte, löste sich. Und plötzlich lächelte ich ihn an, einfach so.
    »Ja!?«
    »Ja!« Phil lachte, und endlich konnte ich wieder seine regelmäßigen Marmorzähne sehen. »Steht im Reiseführer.«
    Giuseppe schloss die Türen auf. Auch in den Wohnungen setzte sich die einfache Schönheit der Veranda fort. Es gab keine billigen Plastikstühle, keine Wachstuch-Tischdecken, keine hässlichen Einbauschränke. Ein grober Holztisch mit einer Bank und vier Stühlen stand in der Küche auf einem glatt gelaufenen Steinboden, die Betten waren aus geschnörkelten Eisenranken, die Nachttischchen antik, die Marmorplatten darauf gesprungen, aber blank geputzt. Wir liefen zu dritt durch die Appartements, schauten durch die Fliegengitter der kleinen Fenster, begutachteten die Duschen und Toiletten und ließen uns von Giuseppe die Heißwasserboiler und den Gasanschluss erklären. Wir beschlossen, dass ich mit Matilde ›Olga‹ beziehen sollte, Phil bekam die etwas kleinere ›Manuela‹. Giuseppe schrieb mir seine Handynummer auf ein Blatt Papier und verabschiedete sich.
    Ich setzte mich in der Olga-Küche auf einen Stuhl. Du hast es geschafft, dachte ich, Matilde ist bei dir! Dabei hatte ich heute Mittag noch befürchtet, unsere Flucht wäre zu Ende, noch bevor sie begonnen hätte. Ich hatte Matilde in der Wohnung nicht finden können. Sie war nicht in ihrem Zimmer, nur der Hasenkoffer lag noch am Boden des
nach Grazia duftenden Schranks und erinnerte mich an meine Unfähigkeit. Gerade als ich den Schrank wieder schließen wollte, kam Teresa in das Zimmer geschossen. Ich hielt mich an der Schranktür fest und starrte widerstrebend mitten in ihr Gesicht, das zu einem grienenden Lächeln verzogen war.
    »Wir werden jetzt für Grazias Seele beten, du auch, das bist du ihr schuldig. Und dann will ich dich nie wieder hier sehen!« Ihre flache Stirn endete weit hinten auf ihrem Kopf, dort, wo endlich der Haaransatz begann. Das runde Gesicht wies kaum Falten auf, nur am Hals rollte die Haut sich

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