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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Mantel flatterte hoch. Ein blasierter James Dean, der sich gerade entschieden hatte, den Ort doch nicht zu kaufen, sondern erst mal abzuwarten. Ich folgte seinem
Blick. Hinter den Palmen begann der Kirchplatz, dahinter, dunkelblau und nah, war das Meer zu sehen. Jemand hatte die Steinplatten des Platzes aufgebrochen, wie riesige Schokoladenstücke durcheinandergeschüttelt und dann wieder fallen lassen. Da lagen sie nun und bildeten eine unbegehbare, mit rotem Flatterband abgesperrte Wüste aus Stein. Auch die kleine Bar gegenüber, die noch nicht mal einen Namen hatte, sah ich mit Phils Augen, und das Lebensmittelgeschäft, einsam und dunkel zwischen den runtergelassenen Jalousien der Nachbarläden. Es war Vorsaison.
    Da hast du nun dein Malfa, das ist es. Hier hat deine Brigida als kleines Mädchen gespielt und im Meer gebadet. Vielleicht hat sie auch unter diesen Palmen gestanden und auf etwas gewartet, wie du jetzt. Phil setzte seine Ray-Ban-Brille auf. Er kam nicht von hier, man sah das sofort, er war viel zu cool, viel zu modisch für die Insel. Ich schaute zwei Jungs hinterher, die in weiß gesprenkelten Arbeitshosen auf ihren Motorrollern vorbeirasten. Die waren sicher aus dem Ort, bauten Ferienhäuser, flickten Netze, ernteten Kapern oder halfen dem einsamen Weinbauer auf dem Feld mit seinen Malvasia-Trauben. Phil aber war weit entfernt von allem, er stand nur da. Ein Filmstar, der ungeduldig auf den Limousinenservice wartet. Natürlich wollte er sofort diese Eltern finden. Leider war niemand in Sicht, der auch nur im Entferntesten ein Elternpaar abgeben konnte. Na, wenigstens fummelte er nicht schon wieder an seinem Mobiltelefon rum.
    Ich wandte mich Giuseppe mit den Knopfaugen zu, der höflich gewartet hatte.
    »Una casa bellissima« habe er zu vermieten. Natürlich, auch die letzte Hütte wurde in Sizilien als bellissima angeboten.
Aber es war mir egal, ich mochte die tiefen Faltenkränze um seine Augen. Wenn das Haus ganz schlimm sein sollte, würden wir einfach wieder gehen.
    »Wir haben ein Inselhaus geteilt, jetzt haben wir zwei Appartements darin, sie heißen Manuela und Olga.« Stolz und liebevoll, als ob es sich um seine Töchter handele, wiederholte Giuseppe die Namen mehrmals.
    »Das eine ist ein bisschen größer, für drei Personen ˿ Olga, und das andere ein bisschen kleiner, zwei Personen ˿ Manuela. Sehr gemütlich. Steht ganz alleine das Haus, gut geeignet für Kinder, viel Platz für ihn. Wie heißt du, mein Junge?« Giuseppe versuchte, Matilde über die Mütze zu fahren, doch sie versteckte sich hinter meinen Beinen.
    »Wir benötigen alle beide, wir brauchen Olga und äh...«
    »Manuela.« Giuseppe strahlte, seine Augen verschwanden fast in den Fächern aus brauner Haut.
    »Manuela, richtig! Können wir sie uns einfach mal anschauen? Was sollen die beiden denn am Tag kosten?« Ich sprach noch einmal aus, was er so gerne hörte: »Manuela und Olga?«
    Giuseppe winkte ab. »Signora, machen Sie sich keine Sorgen. Ihr kommt von Sizilien?«
    Ich nickte, das Festland lag keine fünfzig Kilometer entfernt, und trotzdem klang »Sizilien« so weit weg, ein völlig anderes Land, eine Weltreise von hier.
    »Ach, Signora, noch ist keine Hochsaison. Da mache ich Ihnen einen guten Preis, für Freunde! Kommen Sie«, schon zog er mit unseren Koffern los, »es ist nur zwei Minuten von hier.«
    Phil fragte nicht. Apathisch griff er nach seinem Koffer
und dem Stativ und folgte unserem Grüppchen mit drei Schritten Abstand. Wir ließen die Kirche hinter uns, dann ging es scharf links die Straße hinunter. An einer besonders steilen Stelle blieb Giuseppe stehen. Er packte die Koffer fester, kletterte einige Stufen in den mit Frühlingsblumen und schiefen Kakteen bewachsenen Hang hinein undwartete, bis ich mit Matilde an der Hand hinterhergestiegen kam. Durch ein seitlich angebrachtes, schmiedeeisernes Türchen betraten wir eine lange Veranda. Matilde ließ meine Hand zögernd los, Phil stieg die letzten Schritte hoch und setzte sein Gepäck ab. Wir schauten uns um.
    Dicke, ehemals weiße Steinsäulen stützten eine Pergola, die von einem Gewirr aus Weinreben bewachsen war. Junge Blätter hingen an ihren Trieben herunter auf die bunt gekachelten Bänke, die zwischen den Säulen in die Mauer eingelassen waren. Zwei ausladende Sessel aus Rattan standen zwischen den beiden blau gestrichenen Appartementtüren, davor ein Tisch mit einer schwarz-weiß gewürfelten Stoffdecke. Zwei Strohläufer lagen auf dem

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