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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Sie würde ihren Hass recht schnell perfektionieren und mit aller Macht versuchen, meine beruflichen Kontakte zunichtezumachen. Zwischendurch würde sie sich von einem eigensinnigen Werbegenie trösten lassen. Trösten? Wer nicht trauert, muss auch nicht getröstet werden. Ablenken, ein Kreativer würde sie ablenken; Brigida liebte Kreative, und dieser Paul Taylor, der die Agentur neben der neuen Galerie führte, war einer von ihnen. Ihre flatternden Augenlider hatten es mir verraten, vor zwei Wochen, als sie den Mietvertrag unterschrieb.
    Ich ließ das Handy an. Zur Strafe klingelte es sofort. Hoffentlich wachte Matilde nicht gerade jetzt auf und rief nach irgendwas. Wie sollte ich Brigida eine dünne Kleinmädchenstimme im Hintergrund erklären?

    »Haus der Demut, Schwester Else«, raunte ich in den Hörer. Solche Sprüche hatte sie gern, das wusste ich. Aber Brigida hatte an diesem Morgen keinen Spaß an meiner Schwester Else.
    »Nein, mit Signor Pappalardo habe ich noch nicht gesprochen«, stammelte ich, »er wollte... okay, okay, ich rufe ihn an... ja gleich... ja sicher, mache ich sofort.«
    Mit dem aufgeschlagenen Reiseführer in der Hand trat ich einen Schritt nach draußen unter das Dach aus rankendem Wein.
    »Ich stehe hier nämlich gerade auf dem Monte Pellegrino«, rief ich lauter als beabsichtigt. Ich spürte eine Bewegung, und dann sah ich sie, sofort brach ich ab. Lella verzog keine Miene, sie zeigte stumm über den Abhang, raus auf die blaue See. Hier, beschreibe es ihr, sagte ihre Hand. Monte Pellegrino, sechshundertsechs Meter hoch, Pilgerweg, die Grotte der heiligen Rosalia, Palermo im goldenen Sonnenschein unter dir, in der wie eine Muschel geformten Ebene, die Conca d’oro, alles da, bitte schön! Rede davon, ich werde schweigen! Lella presste den Mund für wenige Sekunden zusammen, dann entspannten sich ihre Lippen wieder. Wir sahen uns in die Augen. Du Weichei!, sagten die ihren. Nur weil du nicht riechen kannst, musst du dich nicht wie ein unterwürfiger Hund benehmen.
    Sie ging ins Haus, schloss leise die Tür hinter sich, und ich, der unterwürfige Hund, blieb mit Brigida allein, das erste Mal froh darüber, dass sie mich mit Horror-Nachrichten aus ihrem Arbeitsalltag versorgte und ich nichts außer »Nein! Na so was, wirklich?« erwidern musste. Ich schaute auf die geschlossene Tür und wäre am liebsten mit dem Kopf dagegen gelaufen. Und noch einmal. Und immer wieder.

Kapitel 17
    PHIL
    »Guten Tag, entschuldigen Sie die Störung, ich bin der Verlobte...«, sagte ich auf Italienisch, bevor ich mich unterbrach. »Aber Brigida und ich sind doch gar nicht verlobt!«
    »Doch, das musst du schon so sagen.«
    Lella bestand darauf, ohne Verlobung keine Informationen.
    »Gut, ich bin also der Verlobte von Brigida Vinci.« Ich schaute auf meinen Zettel und las den italienischen Text ab: »Sie hat hier jeden Sommer mit ihrem Vater, ihrer Mutter und der Schwester dieses Haus bewohnt, vor fünfzehn Jahren ungefähr.«
    Moment mal. »Bist du sicher, dass es wirklich nur im Sommer war?«, unterbrach ich meine Sprachübungen erneut.
    »Ja doch! Ich habe ziemlich bohren müssen, bis Giuseppe sich an die Familie Vinci erinnern konnte. Ruhige Leute von Sizilien, hat er gesagt. Haben hier angeblich jedes Jahr Urlaub gemacht. Das einzig Auffällige an ihnen war offenbar ihr Jaguar, dunkelgrün. Der hat den stärkeren Eindruck bei ihm hinterlassen. Damals waren fremde Autos auf der Insel noch einigermaßen selten, die Fährschiffe konnten nur drei bis vier Autos transportieren, ein Kran hob die Wagen an Deck.
Im Hafen von Rinella, im Süden der Insel, stand das Gegenstück, mit dem die Wagen wieder hinuntergehoben wurden. Bei der Entladung des Jaguars sah der ganze Ort zu!«
    »Also war meine Brigida eine Sensation?«
    »Nee, an Brigida konnte Giuseppe sich erst nach längerem Nachdenken entsinnen. Ich musste ihn geradezu zwingen, damit ihm einfiel, wer zu der Jaguar-Familie gehörte. Er sprach von zwei kleinen Mädchen, dazu noch eine zurückhaltende Frau, die wohl ihre Mutter war.«
    »Vielleicht waren es doch nicht die richtigen Vincis, von einer Schwester hat Brigida nämlich nie erzählt.«
    »Aber sie hat eine«, antwortete Lella trocken, so überzeugt war sie, auf der richtigen Spur zu sein.
     
    Eine halbe Stunde später stand ich vor dem Haus, am anderen Ende von Malfa. Doch nun drängte mich kaum mehr etwas, die Veranda von der Seite zu betreten und an die blaue Eingangstür zu klopfen, deren Farbe

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