Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
doch mein Herz blieb ruhig. Phil passte an ihrem Bett auf, Matilde würde gesund werden und für immer bei mir sein. Ich sah Phil und mich mit einem Motorroller die Straßen der Insel entlangfahren. Matilde saß zwischen uns und stellte komische Fragen, die ich lachend übersetzte und Phil nach vorne durchgab. Ich spürte die Sonne auf der Haut, sah das Gelb und Grün der Zitronenbäume und roch den Duft der Ginsterbüsche, an denen wir vorbeifuhren. Wir verschlangen Berge von pasta , löffelten Mandelgranita und kauften Matilde aufgeschnittene Briochebrötchen mit einem Berg Schokoladeneis darin. La dolce vita. Auf Salina würde ich endlich einen Hauch davon spüren können. Wir waren Touristen, wir würden uns die Schönheit der Insel einpacken lassen, sie fotografieren, wegschleppen, den schweren Malvasier in Flaschen mitnehmen und eingelegte Kapernbeeren als Souvenir einkaufen. Wir würden ein Paar werden.

    »Weißt du noch, wann wir das erste Mal Kapern zusammen gegessen haben?«, würde Phil mich fragen.
    »Ja, natürlich«, würde ich antworten, »das war an dem Abend, als Matilde gestürzt war. Da war sie noch ganz klein, gerade mal vier. Und du konntest das Wort cucunci noch nicht aussprechen.«
    »Wir kannten uns gerade mal... lass mich überlegen... sechsunddreißig Stunden.« Er würde es auf die Stunde genau ausrechnen, natürlich würde er das...
    Ich hielt die Luft an. Leonardos Todeskalender! Ich hatte ihn heute Morgen vollkommen vergessen, das erste Mal seit wie vielen Tagen? Eintausendneunundneunzig? Eintausendeinhundert?
    Mein Atem setzte wieder ein. Es war nicht wichtig. Die vergangenen sechsunddreißig Stunden fühlten sich lebendiger an als die letzten drei Jahre.
    Ich seufzte und bat um ein Telefonbuch. Gewissenhaft ging ich die Spalten durch. Drei Gemeinden gab es auf Salina: Malfa, Leni und Santa Marina Salina, jeder Ort füllte nur drei bis vier Spalten. Keine Vincis, kein einziger Eintrag, auch keine daVincis, aber mit denen hatte ich auch nicht ernsthaft gerechnet. Die Insel war Vinci-frei. Zumindest von Telefonanschlüssen diesen Namens.
    »Wen suchen Sie denn?« Der hagere junge Mann mit den markanten Spuren einer vergangenen Akne im Gesicht verteilte die Mayonnaise für meinen Toast fingerdick auf den rosa Schinkenscheiben. »Sehr erfreut übrigens, ich heiße Angelo.«
    »Piacere, Lella!« Ich umklammerte das Telefonbuch, um ihm nicht die Hand reichen zu müssen. »Angelo, nicht so viel Mayonnaise bitte! Kann ich Ihnen eine persönliche Frage
stellen?« Angelo streckte sich ein bisschen mehr gegen die Decke, von der noch die Osterdekoration, kleine Papphasen, herunterbaumelte. »Sicher!«
    »Können wir uns duzen?«
    »Sicher«, wiederholte er, das Streichmesser hing voller Erwartung in der Luft.
    »Wie alt bist du?« Falls Angelo ungefähr so alt war wie Phil, war er auch ungefähr so alt wie Brigida, plus minus zwei Jahre. Dann würden sie sich kennen.
    »Achtundzwanzig«, antwortete Angelo, offenkundig enttäuscht über die unkomplizierte Frage. Er schmierte die Mayonnaise von der Mitte bis zum Rand der Schinkenfläche und vom Rand wieder bis zur Mitte.
    »Kennst du viele Frauen auf der Insel, Angelo?«
    »Ouuh!« Seine angepickten Wangen verzogen sich durch ein unschönes Grinsen. »Mimmino, hör mal, sie fragt, ob ich viele Frauen kenne«, rief er. »Kenne ich viele Frauen, hä?!«
    Angelo, du Angeber, warum konntest du unsere kleine vertrauliche Situation nicht einfach schweigend genießen? Schade. Ich drehte mich zu Mimmino um, der in diesem Moment durch die Tür kam und wirklich, wie sein Name andeutete, die Miniaturausgabe eines Mannes war. Mimminos Grinsaugen wanderten beifällig nickend an meinem Körper auf und ab, und ich musste mich zwingen, nicht die Arme vor der Brust zu verschränken. Doch dann kam er unverzüglich zum geschäftlichen Teil.
    »Kennen wir, kennen wir alle. Wie heißt sie? Wie alt? Welches Dorf?«, nuschelte er im Dialekt.
    »Ihr Vater heißt Elio. Nachname Vinci. Sie selbst heißt Brigida, circa siebenundzwanzig, keine Ahnung, in welcher Gemeinde ihre Eltern heute wohnen.«

    Mimmino pfiff durch die Zähne und warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
    »Nie gehört.« Er lief hinaus. Auch Angelo tat plötzlich sehr beschäftigt. Als ich ihn anschaute, hob er die Hände und sagte schulterzuckend: »Ich kenne eigentlich niemanden hier.«
    Ich nahm den Teller mit meinem Toast von ihm entgegen, schlenderte zu einem Tisch in der Ecke und setzte

Weitere Kostenlose Bücher