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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Ich sollte einfach den Mund halten und rausgehen, beschloss ich und wandte mich zur Tür.
    »Das ist kein Verehrer! Als es ausnahmsweise mal um mein Leben ging, wollte er nichts davon wissen. Leonardo auch nicht. Er hat mich kurz darauf rausgeschmissen.« Ihre Fassungslosigkeit darüber war bis in den hintersten Winkel der Küche zu hören.
    »Aber egal.« Sie winkte ab. »Ich hab’s schon fast vergessen, nicht so wichtig.«
    Ich brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass es immer noch sehr wichtig für sie war. Sie klaubte zwei Erdbeeren aus der Tüte, schaute kurz zu Matilde ins Zimmer hinein und kehrte auf die Veranda in ihren Sessel zurück.
    »Die muss man erst waschen«, rief ich hinter ihr her. Ich hielt die Früchte unter den Wasserhahn der Spüle, häufte sie in einer gelb glasierten Schüssel zu einer Pyramide und stellte sie neben Lella auf den Boden. Dann setzte ich mich in den zweiten Sessel, der einige Meter entfernt neben der Tür zu meinem Appartement stand. Er war erstaunlich bequem. Ich streckte die Beine aus. Wir schwiegen. Sie las nicht, sondern schaute auf das Meer.
    Schließlich fragte sie: »Und wozu der Ast?«
    Ach ja, der Ast. »Dieser Ast stammt von dem Maulbeerbaum, der vor Brigidas Haus gestanden hat. Das heißt, der
Baum steht da natürlich immer noch. Ich will ihn ihr schicken.«
    »Warum?«, fragte sie.
    »Warum, warum? Weil es sie freuen wird, ein Stück von ihrem Baum zu bekommen! Auf den sie geklettert ist, in dem sie sich versteckt und kiloweise Maulbeeren gegessen hat.«
    »Wie willst du das machen?«
    »Na, ich werde ihn irgendwie verpacken, das bekomme ich schon hin. Es ist mir ganz gleich, was es kostet.« Lella nickte und sagte nichts.
     
    Wir verbrachten den Nachmittag auf der Terrasse. Zunächst lasen wir beide, aber dann ertappte ich mich immer öfter dabei, dass ich meinen Reiseführer sinken ließ, um einfach nur aufs Meer zu schauen und Lella beim Lesen und Erdbeeressen zuzuhören. Sie las schnell, die Seiten raschelten immer wieder. Ab und zu angelte sie nach einer Erdbeere und ließ den grünen Blättchenkranz in das Glas neben sich fallen. Wir kochten Tee für Matilde, den sie aber, wie Lella vorausgesagt hatte, nicht trinken wollte.
    Später röstete Lella einige Knoblauchzehen und einen Zweig Rosmarin aus dem Garten in Öl und schwenkte die Spaghetti darin. Wir rieben reichlich Parmesan darüber und aßen aus schüsselartigen Tellern direkt in unseren Liegestühlen. Die Sonne ging früh unter, gegen acht Uhr war es auf einmal pechschwarze Nacht. Während Lella die Teller in die Küche brachte, rückte ich meinen Rattansessel schnell näher an ihren heran. Sie schaltete von innen das Terrassenlicht an, sagte aber nichts zu meiner Annäherung, die das Licht der milchigen Glaskugel über der Tür unbarmherzig offenbarte. Wortlos kehrte sie sogleich in die Küche zurück,
um die Lampe wieder zu löschen und Kerzen zu holen. Wir tranken die halbe Flasche Rotwein vom vergangenen Abend und eine Hälfte der Flasche, die ich mitgebracht hatte. Alle halbe Stunde ging Lella hinein, ich folgte ihr, verharrte am Türrahmen und sah zu, wie sie Matilde das Thermometer unter den Arm klemmte und ihre Stirn befühlte. Erleichtert kehrten wir danach in unsere Stühle zurück. 38,6C°, das war Fieber, aber kein hohes mehr.
    »Rosen«, sagte Lella mit einem Mal leise, als ob sie zu niemandem sonst sprechen würde. »Einfach nur weiße Rosen. Darüber würde ich mich freuen.«
    Ich tat, als hätte ich die Anspielung auf meinen Maulbeeren-Ast nicht gehört, und stieg in den dunklen Garten hinab. Nach drei Gläsern Wein hatte ich das dringende Verlangen, die schwarzen Lavasteine in den Händen zu halten. Die Steine waren porös und schwerer, als sie aussahen. Am Himmel waren die ersten Sterne zu sehen, scharf und klar, viel näher als in Deutschland. Hinter dem Haus wartete massig und unsichtbar der Berghang, den ich morgen besteigen würde. Eine wohlige Müdigkeit sackte von den Schultern in meine Beine und durchzog meinen ganzen Körper. Ich war müde von allem: vom Essen, vom Schauen, von der feuchten, salzigen Luft. Vielleicht würde ich den Berg auch nicht besteigen, ich war hier niemandem Rechenschaft schuldig.
    Lella hatte die Kerzen gelöscht, oder möglicherweise hatte sie auch ein Windstoß ausgeblasen. Ich tastete mich die Stufen zur Veranda hoch, konnte Lellas Gesicht aber nicht sehen. Ihre Stimme kam aus dem Liegestuhl, losgelöst, als ob sie nicht zu ihr

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