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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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offenbar auch noch für einen Holztisch gereicht hatte, der an der rostroten Mauer des Hauses lehnte.
    Der Mann von Giuseppes Cousine hatte dieses Haus mehrere Jahre in den Sommermonaten an Brigidas Familie vermietet.
    Lella hatte mit den Schultern gezuckt: »Mehr als die Vermieter kann ich dir leider nicht bieten.« Dann zuckte sie wieder mit den Schultern, als ob sie sagen wollte: »Die Suche ist damit wohl zu Ende.«
    Euphorisch hatte ich »Ich werde sie umgehend besuchen!« gerufen, was ich nun bereute.
    Haben Sie eventuell ein Foto von den Kindern Ihrer Gäste? Darf ich sehen, wo sie geschlafen haben? Wissen Sie, wo die Familie heute wohnt?

    Lella hatte ihren Mund, so weit es ihr möglich war, nach rechts verzogen, die Sätze dann aber für mich stillschweigend aufgeschrieben.
    Ich stand lange unter dem Baum, der die Front des Hauses fast ganz verdeckte, bevor ich die Stufen zur Veranda hochstieg. Pergola, Bank, bunte Kacheln, es sah genau so aus wie bei uns. Auch der Ausblick von hier war der gleiche, auf dieselben Inseln, deren Namen ich stets im Reiseführer nachschlagen musste, weil sie mir dauernd entfielen. Irgendwas mit »cudi«?
    Ein paar Minuten verharrte ich so, die Tür blieb geschlossen. Keine meiner Fragen schienen mir jetzt noch vernünftig, ich fühlte mich wie ein Eindringling. Was für einen Anspruch konnte ich erheben, durch das Haus zu gehen, um zu sehen, in welchem Zimmer und in welchem Bett Brigida geschlafen hatte? War es denn ausschlaggebend, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte?
    Ich dachte an die Frageliste in meiner Hosentasche. Allein schon der Gedanke, sie hervorzuholen, wäre lächerlich. Geräuschlos schlich ich von der Veranda, befreit, aber gleichzeitig auch enttäuscht von mir. Ich schaffte es nicht einmal, die Vermieter von Brigidas Eltern kennenzulernen.
    Vergeblich versuchte ich, den vertrockneten Beeren unter dem Baum auszuweichen, die den grauen Betonboden während unzähliger Sommer mit ihren dunklen Flecken verziert hatten. Und mit einem Mal erinnerte ich mich! Es musste das richtige Haus sein: Von diesem Baum hatte Brigida mir erzählt. Wie sie in ihm geklettert war und wie gruselig die Beeren ihre Zähne verfärbt hatten. Das waren die berühmten Maulbeeren, die in Deutschland nicht zu bekommen waren!

    Mit einem Mal wurde ich ganz aufgeregt. Der Anblick eines Baums erhöhte doch tatsächlich meine Pulsfrequenz. Ich lachte innerlich bei dieser Vorstellung, und nun wusste ich wieder, warum ich hier war. Vor mir hing ein großer Ast herunter, schon zog ich an ihm, bog ihn und hielt ihn kurz darauf in den Händen. Ich schaute mich um, nichts rührte sich, die Tür blieb geschlossen. Zufrieden schulterte ich den Ast und marschierte die abfallenden Straßen hinab durch Malfa, während die Sonne mir auf die Schultern schien und die hellgrünen Blätter im Takt an meinem Ohr raschelten. An einem Obstkarren kaufte ich vier Orangen und, weil sie so anders aussahen als in Deutschland, auch vier enorm dicke Zitronen. Eine Knoblauchknolle und eine große Papiertüte voller Tomaten nahm ich auch noch mit, zwei Auberginen wegen der lila Farbe und makellose Erdbeeren, die troppo dolce schmecken sollten. Der Verkäufer küsste sich die tabakbraunen, verhornten Fingerspitzen, während er das sagte.
    Fast wäre ich an einem kleinen Supermarkt vorbeigegangen. Ich lehnte den Ast wie einen Besen an die Hauswand und trat ein. Der Verkaufsraum war dunkel, die Regale mit unausgepackten Kisten verstellt. Ganz hinten entdeckte ich einen schwach erleuchteten Verkaufstresen voller Käselaibe und steuerte darauf zu. Ich ließ mir von dem Mann hinter der Theke die Namen nennen und von jeder Sorte, deren Namen kräftig genug klang, eine große Ecke geben. Pecorino, Provolone, Cacciocavallo. Katscho-kavallo! Und Scamorza, eine bräunliche Kugel mit einem runden Kopf als Auswuchs, die eine Schnur um den Hals trug. Scamorza klang äußerst scharf und würzig in meinen Ohren, den wollte ich unbedingt probieren. Ich zeigte auf eine monströse Mortadella-Wurst, ließ
mir zehn hauchdünne Scheiben mit einer surrenden Kreissäge davon abschneiden, dazu zwei Lagen rohen Schinken. Mit einer Tüte voller Päckchen trat ich wieder aus der Tür.
    Auf der Schwelle drehte ich noch einmal um. Eine Flasche Rotwein, zwei Päckchen Spaghetti, ein langes Weißbrot und ein Uberraschungsei für Matilde, nein, drei Eier, eins für jeden für uns, kamen noch dazu. Und Tee! Matilde brauchte womöglich kein Schokoladenei,

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