Das Lustschiff
gesehen.
Die Feierlichkeiten waren in vollem Gange. Josh hatte sich in seine privaten Räume zurückgezogen, beobachtete vom Balkon aus das Treiben im Hof. Es war schön, endlich mal wieder auf Passionata zu sein. Auch wenn er nicht nur gute Erinnerungen mit der Lustinsel verband. Seine Flitterwochen hatte er hier verbracht. Er hatte damals geglaubt, seine Liebe zu Veronika würde ewig bestehen. Ein folgenschwerer Irrtum. Es ging nicht um verletzten Stolz, es ging um Millionen. Er hatte damals auf einem Ehevertrag bestanden. Ihr stand nur dann etwas zu, wenn sie nachweisen konnte, dass er sie während ihrer Ehe betrogen hatte. Und dies war genau genommen der Fall, weil er sich Carolin hingegeben hatte. Die Tatsache, dass diese Ehe längst keinen Bestand mehr hatte, nur noch auf dem Papier existierte, spielte kaum eine Rolle dabei.
Es klopfte an der Tür. Erst zaghaft, dann etwas entschlossener. Er war nicht in der Stimmung für Besuch, dennoch zupfte er seine Krawatte zurecht und verließ den Balkon, um den ungebetenen Gast einzulassen. Doch als er die Tür öffnete, war dort niemand zu sehen. Lediglich ein Umschlag lag auf dem Boden, war unter den Türspalt hindurchgeschoben worden. Sein Herz setzte für einen Takt aus. Déjà-vu. Hatte er wirklich erwartet, dass sich diese Sache in Wohlgefallen auflöste? Er blickte den Gang hinunter, aber der war leer. Josh öffnete den Brief und las ihn.
Bringen Sie 250 000 Dollar zum Wasserfall, verstecken Sie das Geld unter dem markierten Stein. Anderenfalls gehören die Fotos schon bald Ihrer Frau.
Es gab nur einen Wasserfall auf Passionata, er war klein, kaum auffällig. Der Erpresser musste schon einmal hier gewesen sein, hatte sich auf der Lustinsel und dem Lustschiff vergnügt und seine Möglichkeiten ausgelotet. In jedem Fall gab er vor, immer noch Kopien der Fotos zu besitzen, möglicherweise war dies kein Bluff. Josh durfte kein Risiko eingehen.
Seine Finger zitterten, als er nach dem Telefon griff und seinen Bediensteten die Anweisung gab, sich nach verdächtigen Personen im Privattrakt umzusehen. Er hatte nicht viel Hoffnung, dass seine Angestellten tatsächlich den Erpresser vorfanden, denn der hatte sich gewiss längst unter die Gäste gemischt. Eine ideale Tarnung. Dennoch wollte er nichts unversucht lassen. Sie waren nur noch eine Tagesreise von New York entfernt. Wenn es ihm gelang, den Erpresser schon vorher zu stellen, konnte er ihn bequem an das NYPD übergeben.
Er steckte den Brief sorgsam in den Umschlag zurück. Vielleicht war es ratsam, das Spiel bis zum Ende mitzuspielen. Diesen Möchtegerngangster in Sicherheit zu wiegen. Er würde heute Nacht am Wasserfall sein. Mit oder ohne Geld, das würde er noch entscheiden. Jetzt hatte er erst einmal seinen Auftritt vorzubereiten. Er warf einen Blick in den Spiegel. Der Mann, der ihm entgegenblickte, sah gut aus, wenn auch ein wenig gealtert. Waren da etwa die ersten grauen Strähnen in dem ansonsten schwarzen Haar zu sehen?
Josh dachte an Carolin, die er nicht loslassen konnte. Er wünschte, er hätte sie erst nach der Scheidung kennengelernt. Vieles wäre dann einfacher gewesen. Und er hätte sich ihrer Gefühle sicher sein können.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Andrea war so aufgeregt, dass sie ungewollt eine längst überwunden geglaubte Angewohnheit für sich wiederentdeckte. Sie knabberte wie besessen an ihren Fingernägeln.
»Ich habe den jungen Mann an der Bar den ganzen Abend beobachtet. Er ist allein hier. Setz dich zu ihm, lad ihn auf einen Drink ein, was auch immer. Wichtig ist nur, dass dein Doc es mitkriegt«, redete Lena auf sie ein.
Andrea wollte am liebsten einen Rückzieher machen und auf das Schiff zurück. Der Abend hatte vielversprechend begonnen, und mit jeder Stunde, die verging, trugen die Gäste weniger am Leib. Manche Frau lief nur im Glitzer- BH herum, dennoch waren alle bisher recht zurückhaltend geblieben. Aber der Alkohol floss in Strömen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis das erste Pärchen sich ganz seinen Gelüsten hingab und die Orgie begann.
Thomas Meinhardt hatte den großen Saal vor wenigen Minuten betreten. Er war in Gesellschaft seines Kollegen und Stellvertreters hier und hatte sie noch gar nicht bemerkt. Wenn Lenas Plan funktionierte, würde Andrea ganz leicht herausfinden, ob Thomas mehr für sie empfand oder ob er ihr die ganze Zeit über nur etwas vorgemacht hatte, wie es nach Lenas Beobachtung ganz den Anschein hatte.
»Na los, bevor er
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