Das Lustschiff
Sie sollte sich besser nicht auf solche Spiele einlassen. Das Zehnerbrett war nicht ohne! Selbst für eine erfahrene Schwimmerin wie sie. Doch sie konnte Herausforderungen nur schwer widerstehen … irgendwie wollte sie ihm auch zeigen, was in ihr steckte.
»Na klar! Kommen Sie, seien Sie keine Spielverderberin. Oder haben Sie etwa Angst?« Er sah ihr tief in die Augen. Ein äußerst merkwürdiger Moment, denn in seinem Blick war etwas, was sie gleichermaßen anzog, aber auch nervös machte. Derart nervös, wie sie es nicht von sich kannte. Sie mochte hart im Nehmen sein, sich in ihrem Job oft bewiesen haben und eine hervorragende Schwimmerin sein, doch hier und jetzt fehlte ihr aus irgendeinem Grund der Mut, diesem Blick allzu lange standzuhalten. Sie wich ihm aus, sah zur Seite, ärgerte sich über sich selbst.
Der Amerikaner lachte leise. »Schade, ich habe gehofft, Sie wären ein würdiger Gegner.« Diese Angeberei brachte sie wirklich in Rage. Würdiger Gegner? Sollte er doch erst mal beweisen, was er draufhatte. Das Dreierbrett war nun wirklich keine Leistung. Bisher hatte er nur schöne Worte gehabt, und die waren bekanntlich heiße Luft.
»Zeigen Sie mir, was Sie draufhaben«, platzte es auch schon aus ihr heraus. Carolin hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Der Amerikaner, der sich abgewandt hatte, drehte sich erstaunt zu ihr um. Erneut lächelte er spitzbübisch. Ihm schien ihr Kontra zu gefallen. Und ihr gefiel genau genommen alles an ihm. Sein Lächeln, seine muskulösen Arme, die starken Schenkel, das volle Haar. Neben diesem Mann sah sie wie ein einziger modischer Fehltritt aus.
»Wie meinen Sie?«
Sie konnte jetzt nicht zurückrudern. »Zeigen Sie mir, dass Sie den Mumm haben, vom Zehner zu springen. Dann tue ich es Ihnen gleich.«
Er kratzte sich am Hinterkopf, wirkte für einen Moment fast verlegen, dann jedoch strahlte er Entschlossenheit aus. Und das machte Carolin auf erschreckende Weise an. Jedenfalls verspürte sie plötzlich ein eigenartiges Prickeln zwischen ihren Schenkeln. Vielleicht war es aber auch das Adrenalin, das nun, ob ihrer größenwahnsinnigen Entscheidung, durch ihren Körper pumpte.
»Einverstanden. Das ist ein Deal.« Sofort eilte er zur Metallleiter, kletterte schnell hoch, so dass er kurz darauf oben auf dem Zehnerbrett stand. Ihr schwindelte schon vom Hinsehen. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Der Amerikaner zögerte keinen Augenblick, ließ sich einfach fallen, den Körper vollständig angespannt, kerzengerade. Und schon spritzten ihr erneut die Wassermassen entgegen. Er tauchte zum Beckenrand, hievte sich aus dem Wasser und grinste sie erneut an. »Das hat Spaß gemacht«, sagte er, aber Carolin hatte nur Blicke für seinen makellosen Körper, über den nun das Chlorwasser in winzigen Rinnsalen perlte. Die Badehose war so eng und nass, sie meinte sogar sein Gemächt unter dem sich spannenden Stoff zu erkennen. Und was sie dort in Umrissen ausmachte, war enorm. Carolin schüttelte perplex den Kopf. Auf was für merkwürdige Gedanken sie doch plötzlich kam? Es war doch sonst nicht ihre Art, über die Ausstattung ihr völlig fremder Männer nachzudenken. Sie tat das ja nicht einmal bei denen, die sie näher kannte. Aber der Amerikaner löste ohnehin eine merkwürdig ungesunde Risikobereitschaft in ihr aus, weil er in ihr den Drang weckte, sich ihm zu beweisen. Obwohl sie das doch eigentlich gar nicht nötig hatte.
»Sie sind an der Reihe«, forderte er sie auf und musterte sie sehr genau. Carolin verkrampfte sich am ganzen Körper, versuchte jedoch, sich ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen.
»Es ist ganz einfach, versprochen. Lassen Sie sich einfach fallen. Die Füße voran. Es passiert Ihnen nichts, Sie werden sehen«, redete er auf sie ein, begleitete sie zur Metallleiter, als wollte er sichergehen, dass sie nicht plötzlich die Flucht ergriff. Aber ein Rückzieher kam für Carolin ohnehin nicht infrage. Wenn sie ihr Wort gegeben hatte, dann hielt sie es auch. Das war eine Frage der Ehre.
Zitternd umfasste sie das kühle Metallgeländer der Leiter. Ihre Knie fühlten sich so weich wie Butter an, und ihr Mut verließ sie.
»Keine Sorge, es ist wirklich nichts dabei«, versicherte er. Carolin biss die Zähne zusammen. Sie wollte vor ihm nicht wie ein Feigling dastehen. Also nahm sie die ersten Sprossen, arbeitete sich Stück für Stück nach oben, erinnerte sich an ihren Job und daran, dass sie in diesem nicht selten Menschenleben rettete.
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