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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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sie hatte eine Aura, selbst hier in diesem Zimmer, in dem sie nur in der Ecke saß und las. Davor hatte sie Nähzeug aus ihrem kleinen Koffer genommen und sich einen Saum genäht, der bei der Verhaftung gerissen war. Er hatte viel über sie gehört. Liebknecht sei ein Hetzer, Luxemburg aber die Seele der deutschen Bolschewisten. Wie gefährlich sie war, hatte er begriffen, als ein Offizierskamerad zu ihm gekommen war und vorschlug, die Luxemburg vor der Truppe reden zu lassen. Sogar einem kaiserlichen Offizier hatte die kleine Frau den Kopf verdreht.
    Der Anruf, den er vor zwei Stunden erhalten hatte, ging ihm durch den Kopf. Es war verrückt, völlig verrückt. Und ausgerechnet ihn hatten die sich ausgesucht für dieses Unternehmen. Ausgerechnet ihn. Diesen Tag, den 15. Januar 1919, würde er nie vergessen.

2
    E
    r kratzte sich an der Backe und schaute ihn streng an. »Wie war die Zugfahrt?«
    »Gut.« Hätte er ihm erzählen sollen, dass er neun Tage gebraucht hatte von Engels im deutschen Wolgagebiet nach Moskau, weil sie unterwegs immer wieder halten mussten, damit Bahnpersonal und Fahrgäste im Frost und unter Schneewehen Brennholz suchten, da es Kohle schon lange nicht mehr gab? Das wusste Feliks Dserschinski doch selbst, der Vorsitzende des Präsidiums der Außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution, die alle nur Tscheka nannten.
    »Wie mir Ihre Leiter berichten, haben Sie gut gearbeitet. Auch der Genosse Reuter ist zufrieden mit Ihnen.«
    Zacharias erwiderte nichts. Sie hatten getan, was die Einheiten der Tscheka überall taten. Und der Genosse Ernst Reuter, der Volkskommissar des Wolgagebiets, hatte sie die Drecksarbeit machen lassen. Sie suchten Konterrevolutionäre, und wenn sie welche fanden, erschossen sie die meistens, ohne lang zu fragen. Wenn die Weißgardisten Genossen fingen, töteten sie die auch. Entweder wir oder die. Lenin hatte den Terror befohlen, die Tscheka und die Rote Armee übten ihn aus. Darüber musste Zacharias mit Dserschinski nicht reden.
    »Die Wolgarepublik liefert Getreide und Fleisch nach Moskau, mehr als alle anderen Gebiete. Ohne sie wären wir längst verhungert. Das verdanken wir auch unserer Tscheka.« Dserschinski blätterte in einer Akte. »Sie waren 1909 auf der SPD-Parteischule in Berlin. Ihre Lehrerin in Politischer Ökonomie war Rosa Luxemburg.«
    Es waren keine Fragen, was Dserschinski da nuschelte. Trotzdem antwortete Zacharias: »Ja, Genosse Dserschinski.«
    Sie war nicht nur Lehrerin in Ökonomie gewesen. Sie hatte ihm und den anderen Genossen die Gewissheit gegeben, dass der Sozialismus kommen würde, weil die Geschichte es verlangte. Der Untergang des Kapitalismus war vorbestimmt, und ihre Aufgabe als Sozialisten war es, bereit zu sein, die Macht im Staat zu übernehmen. Sie würden es erleben. Die Arbeiter seien die letzte herrschende Klasse, deren Aufgabe darin bestehe, den Kommunismus herbeizuführen, in dem jeder nach seinen Bedürfnissen leben könne und in dem es keine Klassenherrschaft mehr gebe. Das Paradies auf Erden, sie hatte es in ihre Köpfe geredet, und sie hatten an ihren Lippen gehangen. Es war wie ein Erweckungserlebnis gewesen, Zacharias hatte es jedenfalls so empfunden.
    Seitdem nannte er die Genossin Dr. Luxemburg insgeheim Rosa, weil sie ihm nahe gekommen war, indem sie seine Gedanken bewegte wie kein Mensch zuvor. Sie, die mit den Großen der Arbeiterbewegung auf gleicher Augenhöhe verkehrte, sie, die Eduard Bernstein, den Freund von Marx und Engels, in die Schranken wies, sie, die den großen Kautsky belehrte, sie, die Parteitage zum Jubeln brachte oder zum Protestieren, sie hatte klein vor ihnen gestanden, um ihnen geduldig das Einmaleins des Sozialismus beizubringen.
    Damals wollten wir alles wissen, besser noch, wir glaubten, alles lernen zu können, die Gesetze der Ökonomie, der Gesellschaft, der Geschichte. Und wem es an Gewissheit gefehlt hatte, der erfuhr sie in der Parteischule. In keiner anderen Schule wurde mehr gelernt und disziplinierter, es war eine Auszeichnung, dort hingeschickt zu werden. Er hatte sie sich erworben in seiner Jugendgruppe. Auch wenn er in den Augen der älteren Genossen vorwitzig war und die angestammten Autoritäten nicht im gewünschten Ausmaß verehrte, so empfahl der sozialdemokratische Wahlkreisvorstand doch, er solle auf die Schule gehen. »Damit sie ihm die große Klappe abgewöhnen«, witzelte einer. Das wurde ihm hintertragen, und er glaubte es.
    Der Leiter der Tscheka

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