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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Revolutionäre, nicht wahr, Genosse Zacharias?«
    Der nickte. Ob die Eltern noch lebten? Er hatte ewig nichts mehr erfahren von ihnen. Und seine Schwester Renate? Sie war nun zweiundzwanzig, nein, dreiundzwanzig, Geburtstag am 5. Januar. Ob sie zu Hause glaubten, er sei tot? Wie sahen sie aus, seine Eltern und seine Schwester? Er erinnerte sich an Schemen, dabei war es wenige Jahre her, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte. Das knochige Gesicht des Vaters mit der breiten Nase, die nicht hineinpassen wollte in das Gesicht. Die früh grau gewordenen Haare. Die derben, starken Hände. Wie er die Schmerzen ertrug, die ihm die Gicht verschaffte. Er war spröde, wortkarg und verehrte Bebel. Die Mutter mit ihrem rundlichen Gesicht, eine kleine Warze am Kinn, die fest zurückgebundenen schwarzen Haare. Sie redete viel, als müsste sie das Schweigen des Vaters ausgleichen. Aber sie war immer freundlich und warmherzig, es sei denn, Sebastian trieb es zu arg, und ihre Geduld endete. Aber der Zorn war bald verraucht, als wäre nie etwas gewesen.
    Du malst dir eine Idylle aus. So war es nicht. Sie waren streng, der Vater hat dich geschlagen, wenn du in der Schule einen Tadel einfingst, und du fandest es ungerecht, in der Schule Schläge zu bekommen und zu Hause auch. Und du hast immer geglaubt, sie zögen Renate vor, das Nesthäkchen, das von den wenigen Süßigkeiten immer mehr bekam als du. Das sogar der Vater anlächelte.
    »1914 wurden Sie eingezogen. Zuerst kurz an der Westfront, Belgien, dann Russland. Sie waren in Tannenberg dabei.« Dserschinski schaute Zacharias an.
    Zacharias nickte. Es war ein Gemetzel gewesen.
    »Januar 1917 Gefangenschaft, verwundet.«
    Zacharias nickte. Sie hatten ihm ins Bein geschossen, aus einem Hinterhalt heraus, und seine Kompanie fast völlig aufgerieben. Nur wenige hatten überlebt. Er war gut bedient gewesen mit einem Durchschuss in der Wade. Schlimmer als die Schussverletzung war der Wundbrand, der ihn fast das Bein oder das Leben gekostet hätte. Aber er hatte gute Pfleger gehabt und vor allem Glück. Immer wenn die Narbe juckte, dachte er an sein Glück.
    »Dann waren Sie im Kriegsgefangenenlager Pereslawl-Salesski, zusammen mit dem Genossen Reuter.«
    Zusammen mit ein paar tausend Mann, dachte Zacharias. Schmutziges Wasser, wenig zu essen, und wenn, dann einen Fraß sondergleichen. Reuter war ihm zunächst nicht aufgefallen. Erst später, als er zum Leiter des Kriegsgefangenenkomitees gemacht wurde. Aber er verschwand bald, und Zacharias traf ihn erst im Wolgagebiet wieder, da war Reuter schon Volkskommissar. Und da hatte die Tscheka Zacharias schon angeworben.
    »Sie sind seit Juli 1918 bei uns.« Dserschinski sagte es fast lautlos und schaute nicht auf von der Akte.
    Zacharias arbeitete damals in der Kriegsgefangenenverwaltung. Die versuchte aus Kriegsgefangenen Revolutionäre zu machen, die im Bürgerkrieg halfen und später in ihren Ländern als Kommunisten für die Weltrevolution arbeiteten. Solange der Frieden von Brest-Litowsk mit den Deutschen galt, war es verboten, mit Kriegsgefangenen politisch zu arbeiten. Aber als Lenin den Vertrag nach der deutschen Niederlage im Westen zerriss, setzte die Kriegsgefangenenverwaltung offen fort, was sie insgeheim längst getan hatte. Eines heißen Julitags kam ein Genosse von der Außerordentlichen Kommission und fragte Zacharias, ob er gegen die Konterrevolution kämpfen wolle. Das sei jetzt das Wichtigste für das Überleben der Sowjetmacht. Er gebe zu, sie machten nicht viel Federlesens. Lieber zehn zuviel erschossen, als dass einer entkomme. Zacharias fühlte sich geehrt. Nur die Treuesten der Treuen würden gefragt, sagte der Genosse, der sich nun unter dem Namen Michail Michailowitsch Woronin vorstellte.
    Zacharias war jung, leichtfertig und schnell zu begeistern. Und er war geschmeichelt. Tscheka – das hatte einen Klang! Da durfte nicht jeder mitmachen, nur wenige wurden gefragt. Einen größeren Vertrauensbeweis gab es nicht. Also machte er mit. Er wurde zunächst einer Einheit zugeteilt, die in Moskau und Umgebung nach Konterrevolutionären und Spionen der Weißen suchte. Es wurde wenig gefragt und viel geschossen. Dann schickten sie ihn ins Wolgagebiet, weil er Deutscher war.
    »Sie haben erklärt, dass Sie nach Deutschland zurückkehren wollen«, sagte Dserschinski. Er zog ein Papier aus der Akte.
    Zacharias nickte. Die wahre Begründung war, dass er es leid war, andere Leute zu jagen, die als Feinde galten, weil sie Popen,

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