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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Bedingungen haben sich verändert. Aber das heißt nicht, dass wir unvorsichtig würden.« Sie ging voraus auf die Straße. Diesmal hatte sie sich schlicht gekleidet, eher wie eine Frau aus dem Volk.
    Zacharias folgte ihr. Er überlegte, was sie gemeint haben mochte mit den Bedingungen, die sich geändert hatten. Sie hatte ihn schon einmal zu Friesland geführt, auch zu Radek. Beide kamen aus Russland, und Sonja war auch im Auftrag Moskaus unterwegs, für das ZK, für die Tscheka, für den Rat der Volkskommissare, für wen auch immer. Die Frage lag ihm auf der Zunge, aber er verkniff sie sich. Sie hätte nicht geantwortet, und er hätte dumm ausgesehen. Sie wissen, was wir mit Deserteuren machen?
    Sie redeten nicht, während Sonja ihn zu Friesland führte. Zacharias erinnerte sich an seinen Verdacht, dass Sonja sie verraten haben könnte. Der Angriff der Söldner auf die Villa in Dahlem, nachdem Sonja dort gewesen war. Radeks Verhaftung, nachdem Sonja Zacharias ins Adlon gebracht hatte. Du bist verrückt. Erst ist sie eine Agentin des Klassenfeindes, dann eine Moskaus. Was sagen die Tatsachen? Die sagen, sie ist eine Helferin Frieslands, vielleicht seine Sekretärin, vielleicht seine Geliebte, vielleicht beides. Und Friesland setzt auf die Bolschewiki, nicht auf Rosa.
    Sonja hatte einen Schlüssel für eine Wohnung in der Metzer Straße. Friesland hatte offenbar verschiedene Unterkünfte. Überall standen Möbel und Kisten herum. Friesland kniete in seinem Arbeitszimmer auf dem Boden und blätterte in Papierstapeln. Er schaute kurz auf und sagte: »Ach, der Genosse Zacharias. Nehmen Sie Platz.« Er strich sich mit der Hand über die schwitzende Stirn. »In den Zeiten der Kälte tut Bewegung gut.« Er lachte. Dann schien er gefunden zu haben, was er suchte. Er hielt ein Blatt in der Hand, überflog es und legte es auf den Schreibtisch. »Was denken Sie, Genosse Zacharias, werden wir siegen?«
    Zacharias überlegte, was Friesland meinen konnte. Ob die Revolution siegte? Ob die Bolschewiki ihre Ideen auch in Deutschland durchsetzen konnten? Er fragte nicht. Statt dessen antwortete er: »Es sieht gut aus.«
    »Freuen wir uns nicht zu früh. Das dicke Ende kommt noch. Es geht zu glatt voran, der Feind hat sich fast überall verkrochen. Aber er wird wieder auftauchen, wenn der Schreck nachlässt und wenn wir ihm die Gelegenheit geben. Vor allem wenn wir weiterhin erlauben, dass er sich öffentlich äußert. Noch immer sind die bürgerlichen Zeitungen nicht alle verboten worden. Sogar der Vorwärts wird wieder erscheinen, nachdem er eine laue Erklärung der Berliner SPD-Wahlkreise abgedruckt hat. Was hat die Genossin Luxemburg gesagt? Freiheit ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden! So steht es in ihrem Manuskript über die russische Revolution, das hoffentlich nie als Buch erscheinen wird. Ersetzen Sie Andersdenkender durch Feind, dann sehen Sie, dass wir auf die Katastrophe zusteuern, wenn wir so weitermachen. Es ist unverantwortlich, was manche Genossen hier treiben. Die einzigen, auf die wir zählen können, sind Liebknecht und Pieck. Kommen Sie, Sonja kocht uns einen Tee, und wir schauen ihr in der Küche zu.«
    Sie setzten sich in der Küche an den Tisch. »Zu essen habe ich nichts. Aber an den Hunger haben wir uns gewöhnt. Ich habe Moskau gebeten um Lebensmittelhilfe und Kohle.«
    »Ich auch«, rutschte es Zacharias heraus. Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Aber Friesland ging über die Bemerkung hinweg, als hätte er sie nicht gehört. Wahrscheinlich hielt er es für normal, dass sowjetische Emissäre hier und da anklopften. »Da werden Russen sterben für unsere Revolution. Das darf man öffentlich nicht sagen. Nur hoffen, dass es die Kulaken trifft, die das Getreide verstecken. Sie erinnern sich an diese Raffzähne?«
    Sonja hantierte mit dem Wasserkessel, sie kannte sich aus in der Küche.
    »Moskau ist besorgt«, sagte Friesland. »Wenn wir keine Ordnung in dieses Durcheinander kriegen, wird die Reaktion zurückschlagen und uns wegwischen wie einen Haufen Pferdeäpfel. Rosa nennt das Bewegung der Massen, ich nenne es Chaos. Die Regierung beschließt, niemand folgt. Die Parteien dieser Revolution sagen hü und hott, ganz wie’s beliebt. Liebknecht ist mal hier, mal da, aber nie, wo er sein müsste. Die Arbeiter besetzen ihre Betriebe oder besetzen sie nicht und lassen die Kapitalisten weiter Profit scheffeln. So was wie eine Wirtschaftsplanung gibt es nicht …«
    »Wie soll man das alles

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