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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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der wird Reichswehr und Freikorps auf uns hetzen. Aber sie müssen sich teilen, München, Leipzig, Dresden, Halle und Chemnitz haben sich auch der Revolutionsregierung unterstellt. In Halle wird allerdings noch gekämpft. In Bayern hat sich die SPD auf Noskes Seite gestellt.«
    »Ist Weimar genommen?« fragte Friesland.
    »Nein, so schnell geht es nicht. Aber wie ich hörte, kommt keiner mehr raus. Thüringer Arbeiter haben sich bewaffnet und Weimar umstellt. Einheiten der Roten Armee sind auf dem Weg dorthin. Es sollen aber auch weiße Truppen marschieren, um Weimar zu entsetzen. Däumig muss sich beeilen.«
    »Ich muss los«, sagte Zacharias. »Die Genossin Luxemburg wartet bestimmt schon.«
    »Glaube ich nicht«, erwiderte Pieck. »Die hält Personenschutz für überflüssig.« Er lachte grimmig. »Die Massen werden sie schützen, wird sie glauben. Oder dass sie unverwundbar sei.«
    Zacharias wusste es besser, aber er erwiderte nichts.
    »Halten Sie uns auf dem laufenden, Genosse Zacharias«, sagte Friesland. »Sie wissen, was der Genosse Dserschinski von Ihnen erwartet. Und nicht nur er.«
    Er verabschiedete sich formlos. Sonja schaute ihn an, als bedaure sie, dass er ging. Sie kam mit auf den Flur. »Wenn mal wieder Ruhe ist, dann würde ich dich gerne zu einem Tee einladen. Oder was immer du trinkst. Du musst mir erzählen von der Revolution in Russland. Friesland ist leider nicht so auskunftsfreudig. Darf ich dich noch einmal darauf ansprechen? Dann, wenn es gehen könnte?«
    Zacharias schluckte und hoffte, nicht rot anzulaufen. »Ja, natürlich«, quetschte er heraus. »Aber ich glaube, du überschätzt mich. Ich habe nicht viel erlebt.«
    »Aber du kennst Lenin, hat Friesland gesagt.«
    »Ich habe nur einmal kurz mit ihm gesprochen. Und dann habe ich ihn als Redner gehört, aus einigem Abstand.«
    »Das ist mehr, als ich mir erträumen könnte. Hätten wir doch auch einen Lenin.«
    Unterwegs sah Zacharias zum ersten Mal Milizstreifen, Däumig hatte so etwas angekündigt. Sie trugen die kaiserliche Uniform mit roten Armbinden, aber ohne Rangabzeichen, und waren zu zweit unterwegs. Auch in der Straßenbahn fuhr eine Streife mit. Zacharias sah, wie Milizionäre auf den Straßen Männer anhielten und befragten. Er erkannte sofort das Schema, nach dem sie vorgingen. So war es in Russland auch. Besser angezogene Männer standen im Verdacht, Kapitalisten oder hohe Beamte zu sein, die naturgemäß gegen die Regierung eingestellt waren. In Russland genügte ein Verdacht oder eine Denunziation, oft schon die vermutete Zugehörigkeit zu den »Burschuis«, um Leute ins Gefängnis zu bringen. Manchmal wurden sie einfach exekutiert, und es krähte kein Hahn danach. Im Deutschen heißt es: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wo Revolution ist, fließt Blut.
    Im Reichstag war es ruhiger geworden, auch als Ergebnis der Erschöpfung. Zacharias ging zum Zimmer hinter dem Präsidium, diesmal stand ein bewaffneter Posten davor. Der Milizionär kannte Zacharias von der Schießerei in Lichtenberg und ließ ihn hinein.
    Die Revolutionsregierung tagte in Permanenz, aber es waren längst nicht mehr alle anwesend. Rosa saß am Tisch und las etwas. Sie hatte Ringe unter den Augen. Zacharias lehnte sich an die Wand ihr gegenüber und beobachtete sie. Manchmal schien sie den Kopf zu schütteln, kaum sichtbar, ihre Mimik verriet Ablehnung. Dann hob sie den Kopf, sah Zacharias und lächelte. Zacharias trat zu ihr.
    »Der Lebensretter«, sagte sie. »Und der, der die Parlamentäre ermordet hat.« Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, Unverständnis stand nun darin. Wenn Menschen erschöpft sind, können sie ihr Innenleben schlecht verbergen.
    »Es musste sein«, sagte Zacharias. »Wenn die erfahren hätten, dass Sie im Haus sind, hätten sie ihre Anstrengung verdreifacht. So ein Ziel macht aus dem feigsten Söldner einen Berserker.«
    »Dann bin ich also schuld«, sagte sie matt.
    »Nein, ich habe diese Entscheidung getroffen. Diese Unterhändler waren in Wahrheit Spione. Wenn wir aufgegeben hätten, glauben Sie, die hätten uns am Leben gelassen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Nun zeigte ihr Gesicht Ratlosigkeit. »Vielleicht finden spätere Generationen einen Weg ohne Mord und Totschlag. Warum muss eine neue Gesellschaft in Blut geboren werden? Und wenn es so ist, können die, die Gewalt anwenden mussten, wieder aufhören, Gewalt anzuwenden? Genosse Zacharias, Sie waren in Russland, haben Sie den Terror miterlebt?« Sie

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