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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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allerdings nicht gerechnet.
    So ging man also spazieren: zu dritt und bei jedem Wetter. Robert Schumann ließ sich sogar überreden, die Freiübungen, zu denen ihn Clara einst gezwungen hatte, zu demonstrieren. Besonders seine Liegestütze trugen zur allgemeinen Erheiterung, auch der der zufälligen Passanten bei.
    Erst nach einiger Zeit stellte Clara mit Befremden fest, dass sich Robert Schumann Ernestine gegenüber anders verhielt als zu ihr selbst. Immer öfter fiel ihr auf, dass die beiden Blicke tauschten, die für Claras Geschmack zu lange währten, dass Ernestine errötete und die Augen senkte, obwohl für ein solches Benehmen kein Anlass bestand, und dass sie miteinander flüsterten, wenn sich Clara ein paar Schritte entfernte. Besonders störte es sie, dass Robert Schumann plötzlich auch ihr selbst gegenüber ein verändertes Verhalten an den Tag legte. Er machte Scherze, über die sie nur den Kopf schütteln konnte, und benahm sich wie ein bräsiger alter Onkel, so kam es ihr vor.
    »Ich bin kein dusseliges Kind, Herr Schumann!«, fuhr sie ihn ärgerlich an, als er wieder einmal den reifen Erwachsenen spielte und zu allem Überfluss dabei auch noch Ernestine zuzwinkerte. »Das könnten Sie inzwischen wissen.« Sie blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn ich Ihnen zu kindisch bin, können Sie beide gerne auch allein spazieren gehen. Für meine Begriffe bewegen Sie sich ohnedies viel zu lahm. Ein frisches Kind wie ich würde auch ein weitaus schnelleres Temposchaffen.« Ihre Stimme klang fest und energisch. In Wirklichkeit aber spürte Clara, wie sich ihre Kehle zusammenzog und Tränen sich in ihre Augen drängten. Wie damals in Paris, als sich die jungen Komponisten so köstlich amüsierten, fühlte sie sich ausgeschlossen und zurückgestoßen.
    Sie dachte an Mila, ihre einzige Freundin und Altersgenossin, die zur Zeit – wie so oft – mit ihren Eltern verreist war. Mit Mila befand sie sich auf einer Ebene. Auf Augenhöhe, wie man sagte. Doch auch Robert Schumann hatte sie bisher für einen Freund gehalten und selbst Ernestine benahm sich ungezwungen und freundlich, wenn sie mit ihr allein war. Waren die beiden jedoch zusammen, schienen sie plötzlich eine Einheit zu bilden, an der Claras Freundlichkeiten zerschellten wie ein morsches Segelschiff an einem Felsen im Meer – ein Bild, das Clara aus einer der romantischen Erzählungen übernommen hatte, von denen Robert Schumann schwärmte.
    Erschrocken warben Ernestine und Robert Schumann von nun an um Claras Freundschaft. Unaufgefordert erzählte Ernestine von dem Bräutigam, den der Vater für sie ausgesucht hatte – »nicht mehr jung, aber sehr vermögend und sehr angesehen«. Dabei wurde ihr Gesicht ungewohnt ernst. Eines Tages brach sie sogar in Tränen aus und stampfte mit ihren rot beschuhten Füßchen auf den Boden. »Nie, niemals werde ich diesen Menschen heiraten! Eher sterbe ich.« Dabei legte sie die Hände auf die Brust und gestand, der Gedanke an diese Heirat verursache ihr buchstäblich Schmerzen. »Du kannst dir nicht vorstellen, Clara, wie weh das manchmal tut.« Clara nickte und hielt ihre Hände an die Wangen. »Ich kenne das«, stimmte sie zu.
    Auch Robert Schumann bemühte sich wieder um Clara, mehr als je zuvor. »Der Schweinekerl!«, sagte August über ihn. »Einerseits die Millionenbraut und andererseits unsere Clara! Bei einer wird es schon klappen, denkt er wohl. Seine Zeitung soll ja nicht besonders viel einbringen.« Dann berichtete er, dass der feine Herr auch noch andere Fische an der Angel habe. »Die Madame Voigt«, sagte er und spuckte symbolisch aus. »Die schöne Henriette,große Dame der Gesellschaft, aber kann die Augen nicht von ihm lassen. Dann noch seine alte Christel, die ihm die Krankheit angehängt hat. Soll vor kurzem eine Tochter bekommen haben, von wem auch immer. Ganz zu schweigen von diversen Kuchenverkäuferinnen und Blumenmädchen. Dass er außerdem mit dem Schuncke zusammenlebt, kommt mir auch nicht ganz koscher vor.« Nein, beim Hauspersonal in der Grimmaischen Gasse hatte Robert Schumann nicht den besten Stand.
2
    Anders als bei den beiden ersten Geburten kehrte Friedrich Wieck diesmal rechtzeitig von seiner Klavierreise zurück. Als er eintraf, hatte sich Clementine gerade zu einem kurzen Mittagsschlaf hingelegt – eine neue Angewohnheit, die bisher für sie undenkbar gewesen wäre. Diesmal aber fühlte sie sich so müde und zerschlagen, dass sie am liebsten überhaupt nicht mehr

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