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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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um. »Tu das nur, dann wird der Welt so manche Unverschämtheit erspart bleiben!« Trotzdem musste sie lachen. Sie dachte, dass Clementines biederer Haushalt ohne August viel weniger amüsant wäre. Ein Wunder nur, dass ihr Vater und Clementine die Anzeichen von Augusts dunkler Seite noch nie bemerkt hatten.
    Als Clara in den Salon trat, war bereits die ganze Familie versammelt. Auf dem Tisch brannte eine Kerze und auf dem Sofa häuften sich viele Päckchen. Clara konnte es kaum erwarten, ihre Geschenke anzusehen.
    In diesem Augenblick klopfte es ans Haustor. Kurze Zeit später trat ein junges Mädchen ein und blieb schüchtern auf der Schwelle stehen. Clara erkannte es sofort als Robert Schumanns Haushälterin. Das Mädchen knickste verlegen. »Ich soll ausrichten, das ist für Mamsell Wieck.« Es hielt Clara einen gläsernen Teller hin, auf dem ein bunter Blumenkranz lag. »Ergebenste Wünsche zum Geburtstag, soll ich sagen«, fügte es hinzu und knickste noch einmal.
    Clara übernahm den Teller. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich in dem Kranz ein Henkelkörbchen aus Porzellan befand und wiederum darin eine goldene Taschenuhr. Dem beigefügten Billett entnahm Clara, dass das Porzellankörbchen ein Geschenk von Robert Schumann war und dass die Uhr gemeinsam von ihm und der »Tafelrunde« der Davidsbündler kam.
    »Ich fühle mich wie Ali Baba in der Schatzhöhle!«, lachte Clara. So viele Geschenke! Zwei Mousselinetücher, eines für fein und eines für den Alltag, zwei Umschlagtücher, Hausschuhe für den Winter, ein Taschenkalender, ein Buch mit Balladen und Romanzen als Anregung zum Komponieren, von Friedrich Wieck die Sammlung der Novellen von Schefer und von Robert Schumann das Gesamtwerk von Bulwer.
    Clara strahlte. »Am Abend muss ich gleich an Mila schreiben!«, rief sie. »Sie wird nicht glauben, was ich alles geschenkt bekommen habe.« Dass Emilie List noch immer nicht aus Paris zurückgekehrt war, war der einzige Wermutstropfen in der Vollkommenheit dieses Tages.
    Nach dem Frühstück tauchten auch die Uhrengeber auf und mit ihnen Felix Mendelssohn. Man spielte abwechselnd Klavier und sang. Dann unternahm man auf Friedrich Wiecks dringenden Vorschlag einen kurzen Spaziergang, um nicht ganz auf die Segnungen der frischen Luft verzichten zu müssen. Im »Kleinen Kuchengarten« traf man Bekannte, die ebenfalls gratulierten. Ganz Leipzig schien zu wissen, dass Clara Geburtstag hatte. Sogar mit Champagner stieß man auf den großen Tag an. Dann ging es zurück in die Grimmaische Gasse zum Mittagessen. Clara errötete vor Entzücken, als sich Felix Mendelssohn den Platz neben ihr eroberte. Sie wagte kaum, ihn anzusehen, wie er da so nahe neben ihr saß. Um den Hals trug sie an einem schwarzen Samtband ihre neue Taschenuhr. Sie erschien ihr wie ein Symbol der sonnigen Zukunft, die vor ihr lag.
    Nach Tisch brachte ihr Felix Mendelssohn ein Ständchen dar, und auch sie selbst spielte vor. Zuletzt erhob sie sich und sprach: »Meine Herren, ich kann nicht umhin, Ihnen meinen verbindlichsten Dank für das schöne Geschenk zu spenden.« Mehr wagte sie nicht zu sagen. Es war nicht üblich, dass Damen Reden hielten. Aber für Künstlerinnen galten ja wohl nicht so strenge Regeln. Hauptsache, es hörte sich vornehm und gebildet an.
    Ein zweites Mal ging man spazieren. Danach trafen noch andere Gratulanten ein, und es wurde sogar getanzt. Als FriedrichWieck einen dritten Spaziergang empfahl, löste sich die Gesellschaft vorsichtshalber auf. Noch lange stand man jedoch plaudernd vor dem Ausgang und wollte sich kaum voneinander trennen.
    Als Felix Mendelssohn an der Reihe war, sich von Clara zu verabschieden, zog er aus der Tasche seines Rocks einen Zettel hervor. »Ich habe noch etwas für das liebe Geburtstagskind«, sagte er und lächelte. »Als ich etwa in Ihrem Alter war, machte ich mir viele Gedanken über meine Kompositionen und darüber, was andere wohl über sie denken würden. Halb im Ernst, halb im Spaß verfasste ich ein kleines Gedicht über dieses Dilemma, das auch Sie ganz bestimmt kennen.«
    Clara nickte. »Und ob ich das kenne!«, stimmte sie zu und sah dabei unwillkürlich zu Robert Schumann hinüber, der heute heiterer gewesen war als sonst. Claras Freude über sein Geschenk hatte auch ihn glücklich gemacht.
    Clara nahm das Gedicht entgegen und bat Felix Mendelssohn, es doch gleich selbst vorzulesen. Das wollte er aber nicht, sondern schlug vor, sie solle es irgendwann später in Ruhe studieren und

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